Moskau will Spielgeschäft unter Kontrolle bringen

MOSKAU – Juri Filippow, politischer Kommentator der RIA Nowosti. In Moskau boomt das Geschäft mit dem Glücksspiel schon seit Jahren. Heute gibt es in der Zehn-Millionen-Stadt 56 größere Spielcasinos, mehr als 2 000 Spielhallen und über 50 000 Spielautomaten.

Das bedeutet mindestens ein Spielautomat auf je 200 Einwohner der Hauptstadt.

Die „einarmigen Banditen“ sind in Bäckerläden und Imbiss-Stuben, kleineren Geschäften oder einfach auf der Straße, nicht selten in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern, aufgestellt. Oftmals werden von der krankhaften Spielleidenschaft Menschen erfasst, die sich das finanziell überhaupt nicht leisten können. In der Hauptstadt kursieren glaubwürdige Geschichten über recht wohlhabende Leute, die sich dem Glücksspiel verschrieben und dadurch nicht nur ihr Geld, sondern auch das eigene Geschäft, die Familie und das Dach über dem Kopf verloren haben. Es gibt auch Legenden über Leute, die ihr Glück gemacht haben – aber das sind viel weniger.

Die Deutsche Bank schätzt den Jahresumsatz der russischen Glücksspielindustrie auf vier Milliarden Dollar. Der Löwenanteil davon entfällt auf Moskau, geht jedoch am städtischen Budget vorbei.

„Alles begann, als das Recht auf die Lizenzerteilung für Glücksspielgeschäfte an die Föderale Agentur für Körperkultur und Sport übertragen wurde“, erklärt der Vorsitzende der Moskauer Stadtduma, Wladimir Platonow. „Damit waren die Behörden der Stadt nicht mehr in der Lage, die Ausbreitung der Glücksspielseuche über das gesamte Territorium der Hauptstadt zu bremsen“, fährt er fort. Die Moskauer Abgeordneten haben vor kurzem vom russischen Premier, Michail Fradkow, gefordert, gesetzliche Beschränkungen für die Unterbringung von Spielautomaten in Moskau zu unterstützen. Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow, der den Boom des Glücksspiels nicht anders als Unzucht und moralische Abnormität bezeichnet, tritt dafür ein, dass alle Glücksspieleinrichtungen über die Stadtgrenze hinaus verlegt werden.

Die Entrüstung der hauptstädtischen Behörden teilt die einflussreichste russische Partei, „Einheitliches Russland“. Am Sommeranfang haben Mitglieder von „Einheitliches Russland“ vor dem Regierungsgebäude eine Kundgebung veranstaltet und gefordert, die Glücksspielindustrie in den Kompetenzbereich der regionalen Behörden zu überführen. Der stellvertretende Vorsitzende der Moskauer Stadtduma Andrej Metelski ist der Meinung, dass „die Glücksspielwelle“, die nicht nur das hierbei in Führung liegende Moskau, sondern auch weitere Großstädte erfasst habe, in diesem Fall in Russland abebben werde.

„Keinerlei regionale Macht würde eine unkontrollierte Entwicklung der Glücksspielindustrie erlauben, die in der Regel Steuern hinterzieht, die Bevölkerung betrügt und rundum eine kriminogene Situation schafft“, so Andrej Metelski. Nach seiner Meinung gehören Spielautomaten nicht in Cafés und Bäckereien. Denn Finanzschwache verlieren oft ihr Geld an die „einarmigen Banditen“, die kaum jemanden etwas gewinnen lassen, statt sich die notwendigen Lebensmittel zu kaufen. Die Besitzer der Spielautomaten fangen an, ihre Gewinne nicht so sehr aus dem Handel bzw. der Erbringung von Dienstleistungen, sondern viel mehr aus ihrem Glücksspielgeschäft zu schlagen, das sich sehr leicht aus der Steuer ausklammern lässt.

Ob die Moskauer Behörden und die Politiker von „Einheitliches Russland“, die sie unterstützen, überhaupt beabsichtigen, das Geschäft mit dem Glücksspiel im Lande auszurotten? Eher nicht. Ihr Ziel besteht offensichtlich darin, seine Diffusion zu stoppen und an Orten zu konzentrieren, die als russisches „Las Vegas“ oder „Monte Carlo“ bezeichnet werden könnten. Dann würde der Staat seine Steuern im vollen Umfang erhalten, Bäcker würden mit Brot und nicht mit Glücksspiel handeln und leichtgläubige Bürger würden ihr Geld für nützlichere Zwecke behalten.

„Unsere Aufgabe ist es, die Glücksspielindustrie von einem Banditen-Business in ein zivilisiertes Unternehmertum zu verwandeln“, sagt Andrej Metelski.