Interview mit Ruedi Schneider – Stellvertretender Direktor und Leiter der Abteilung Aufsicht (ESBK)

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
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Ruedi Schneider, Jahrgang 1959, stellvertretender Direktor und Leiter der Abteilung Aufsicht (Chef der Organisationseinheit, der die Aufsicht über die Casinos sowie die Erhebung der Spielbankenabgabe obliegt), von Beruf Fürsprecher (schweizerische Bezeichnung für Juristen mit Anwaltspatent), Nachdiplomstudium mit Abschluss als Executive MBA HSG, Vater von zwei Söhnen (12 und 15 Jahre alt).

ISA-CASINOS, Chefredakteur, Reinhold Schmitt: Seit wann sind Sie in der ESBK tätig?

Ruedi Schneider: Seit 1. Februar 2004.

ISA-CASINOS: Welche Aufgaben sind Bestandteile der ESBK?

Schneider: Die ESBK nimmt die Aufsicht über die Spielbanken wahr, insbesondere die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch die Casinos. Zudem erhebt sie die Spielbankenabgabe und bekämpft das illegale Glücksspiel.

ISA-CASINOS: Ist die ESBK ein reines Kontrollorgan oder kann sie auch Gesetze und Verordnungen beschliessen?

Schneider: Die ESBK ist in erster Linie ein Kontrollorgan. Die Verabschiedung von Gesetzen obliegt alleine dem Parlament. Verordnungen fallen in der Regel in die Kompetenz der Regierung (in der Schweiz des Bundesrates). Die ESBK ist indes für die Vorbereitung aller spielrelevanten Erlasse zuständig. Sie ist nach den Vorschriften des Geldwäschereigesetzes in diesem Bereich die spezialgesetzliche Aufsichtsbehörde über die Spielbanken. Als solche ist sie zum Erlass von Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsstufe legitimiert.

ISA-CASINOS: Glauben Sie, dass die ESBK , mit ihren klaren Verordnungen, was Geldwäsche, Spielsucht und Einlasskontrolle betrifft, ein Vorbild für die Nachbarländer ist?

Schneider: Ich kann nicht beurteilen, wie unser System auf die Nachbarländer wirkt. Indes stellen wir fest, dass sich verschiedene Aufsichtsbehörden aus anderen Ländern sehr für unser Sozialkonzept interessieren, mit welchem den sozialschädlichen Auswirkungen des Spielbetriebes vorgebeugt werden soll. Wir sind gerne bereit, ihnen dieses Konzept zu präsentieren und zu erläutern. Interessant wäre für uns, wenn es eines Tages gelingen würde, die Spielsperren – die unsere Spielbanken gegen Spielsüchtige aussprechen – international durchzusetzen. Die Wirksamkeit des Sozialkonzeptes würde dadurch insofern verstärkt, als diese Sperren nicht mehr durch ein Ausweichen in ausländische Casinos umgangen werden könnten. Das Sozialkonzept soll zwar in erster Linie die Spielenden schützen. Indes haben auch die Casinos – die meisten Schweizer Spielbanken haben dies erkannt – ein Interesse daran, dass dieses Instrument funktioniert. Dies macht bei einer mittel- bis langfristigen Betrachtung auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht Sinn.

ISA-CASINOS: Sind Sie mit Ihren Gesetzen und Vorschriften den Nachbarländern einen Schritt voraus?

Schneider: Dies zu behaupten, wäre wohl etwas vermessen. Immerhin können unsere Nachbarn, bei denen Casinos erlaubt sind, auf eine wesentlich längere Spieltradition zurückblicken. In der Schweiz wurde das verfassungsmässige Verbot von Spielbanken erst 1993 aufgehoben. Das Spielbankengesetz wurde nach langen Diskussionen Ende 1998 verabschiedet auf den 1. April 2000 in Kraft gesetzt. 2001 hat der Bundesrat, unsere Landesregierung, 21 Anwärtern eine Konzession in Aussicht gestellt. Nach der formellen Konzessionserteilung nahmen die Spielbanken ihren Betreib in den Jahren 2002 und 2003 auf. Zwar hat sich das System rasch gut eingespielt. Dennoch ist die ESBK stets bestrebt, aufgrund der gewonnen Erfahrungen Verbesserungen – auch am geltenden gesetzlichen Regelwerk – zu initiieren und vorzunehmen.

ISA-CASINOS: Mit welchen Vereinen arbeiten Sie im Bereich der Spielsucht zusammen?

Schneider: Die ESBK selbst arbeitet nicht mit Vereinen in diesem Bereich zusammen. In unserem Dienst steht unter anderem auch ein Psychologe, der Kontakte zu solchen Institutionen pflegt. Wir arbeiten mit den nationalen Gesundheitsbehörden und mit den Suchtbeauftragten der Kantone zusammen. Hingegen kollaborieren alle Casinos mit Experten auf diesem Gebiet.

ISA-CASINOS: In der Schweiz gibt es nach wie vor noch den Unterschied zwischen A- und B-Casinos. Ist das noch zeitgemäss?

Schneider: Der Bundesrat hat die ESBK schon im Rahmen der Konzessionserteilung im Jahre 2001 beauftragt, ihm 2006 Bericht darüber zu erstatten, ob bezüglich Anzahl der Konzessionen Änderungen vorzunehmen seien. In diesem Bericht wird sich die ESBK auch zu dieser Fragestellung äussern. Die Antwort kann und will ich nicht vorwegnehmen, wofür ich um Verständnis bitte.

ISA-CASINOS: Gibt es nicht B-Casinos, die bereits mehr Umsätze machen als A-Casinos?

Schneider: Doch. Zwei B- Casinos erzielten 2004 Bruttospielerträge, die höher waren als jene der drei aus dieser Sicht „letztplatzierten“ A-Casinos.

ISA-CASINOS: Wie wirken sich Verbote hinsichtlich des Aufstellens von Automaten mit Geldspieleinsatz auf das gesamte Einspielergebnis der Casinobranche aus?

Schneider: Das Spielbankengesetz legt fest, dass das Glücksspiel ausserhalb von Spielbanken unzulässig ist. Übergangsrechtlich wurden Glücksspielautomaten in Restaurants und Spielsalons etc. noch während fünf Jahren geduldet. Auf den 1. April dieses Jahres ist diese Übergangsfrist abgelaufen. In den 13 Kantonen, die solche Automaten nach ihrer Gesetzgebung zuliessen, mussten auf dieses Datum hin insgesamt rund 6’000 Automaten entfernt werden. Es ist davon auszugehen, dass sich eine gewisse Anzahl Spielender in die Spielbanken verlagern wird. Beziffern lässt sich dieser Effekt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

ISA-CASINOS: Wurde hier nicht ein privater Erwerbszweig zum Erliegen gebracht, der eher in Gaststätten und Kursälen zu finden war?

Ruedi Schneider, stellvertretender Direktor - <br> Leiter der Abteilung AufsichtSchneider: Die Spielautomatenhersteller sind heute bemüht, nach Spielbankengesetz zulässige automatisiere Geschicklichkeitsspiele – bei denen die Erzielung eines Gewinns massgeblich von der Geschicklichkeit des Spielers und nicht vom Zufall abhängt – auf den Markt zu bringen. In der Tat gibt es hier Probleme. Offensichtlich gibt es geschickte Spieler, die die Automaten regelmässig leeren. Ungeschickte Spieler zeigen sich mässig interessiert. Die Hersteller versuchen, die Software anzupassen. Sie stehen unter einem enormen wirtschaftlichen Druck. Es ist in der Branche zu Kündigungen zu kommen. Die ESBK bedauert dies. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind indes in dieser Frage klar. Der Gesetzgeber hat Wert darauf gelegt, eine klare Trennung zwischen Glücksspiel- und Geschicklichkeitsspielautomaten zu schaffen. Vormals herrschte in diesem Bereich eine Grauzone. Dies erachtete er als unerwünscht. Es bleibt abzuwarten, ob es der Branche gelingt, neue innovative Produkte zu schaffen, die auf dem Markt Erfolg haben.

ISA-CASINOS: Worin liegt nun der Vorteil für den Spieler, dass er diese Automatenspiele nur noch in den Casinos spielen darf?

Schneider: Eine Zielsetzung des Spielbankengesetzes war, den sozialschädlichen Auswirkungen des Spielbetriebes vorzubeugen. Deshalb war eine Bedingung für den Erhalt einer Konzession das Vorliegen eines tauglichen Sozialkonzeptes. Im Rahmen dieses Konzeptes werden die Verfahren festgelegt, wie die Kunden beobachtet werden müssen. Bei auffälligem Verhalten sprechen die Casinos die Spielenden an. Sofern das Gespräch zeigt, dass das Spiel für den Betroffenen ein Problem darstellt, ergreift das Casino Massnahmen. Eventuell wird eine Übereinkunft über eine freiwillige Zutrittsbeschränkung getroffen. Der Spieler kann so die Anzahl der Casinobesuche während eines bestimmten Zeitraums oder die eingesetzten Summen limitieren. Allenfalls wird er gesperrt, damit einer weiteren – leider häufigen – Verschuldung ein Riegel geschoben werden kann. Alle diese Massnahmen können nur ergriffen werden, wenn der Spieler von geschultem Personal begleitet wird. Diese erforderliche Infrastruktur kann nur ein Casino anbieten. Darin ist der objektive Vorteil zu sehen, auch wenn der Spieler dies subjektiv vielleicht nicht in jedem Fall so wahrnimmt.

ISA-CASINOS: Wie verhält sich die ESBK zu den Lotteriegesellschaften und ihren Tactilo-Automaten? Gibt es dazu feste und verbindliche Erlasse?

Schneider: Es ist umstritten, ob die Tactilo-Automaten einen gewöhnlichen Glücksspielautomaten darstellen, der nach der Spielbankengesetzgebung nur in Casinos betreiben werden dürfte, oder ob er unter die Lotteriegesetzgebung fällt und mithin anderen Regeln folgt. Die ESBK hat in dieser Angelegenheit ein Verwaltungsverfahren eröffnet, im Rahmen dessen sie diese Frage einer Klärung zuführen will. Sie wird in kurzer Zeit eine Verfügung erlassen, mit welcher sie diesbezüglich eine Festestellung macht. Sofern diese Verfügung im Widerspruch zu den Interessen der Lotteriegesellschaften stehen sollte, erfolgt mit Sicherheit eine Anfechtung. Hierauf wird es – in letzter Instanz – dem Bundesgericht obliegen, die Frage definitiv zu klären.

ISA-CASINOS: Sind Pläne bekannt, dass Online-Casinos in der Schweiz legalisiert werden?

Schneider: Nein.

ISA-CASINOS: Dürfen Schweizer in den Online-Casinos spielen?

Schneider: Ja. Verboten ist in der Schweiz lediglich die Durchführung von Internet-Glücksspielen.

ISA-CASINOS: Was sagen Sie zum Thema, deutsche Spielbanken sollen mit ihren Glücksspielgeräten umsatzsteuerpflichtig werden?

Schneider: Das will ich nicht kommentieren.

ISA-CASINOS: Gibt es in der Schweiz ein solches Gesetz?

Schneider: Die Schweiz kennt eine Umsatzabgabe. Besteuert wird der Bruttospielertrag, wie er sich aus den Einnahmen der Tischspiele und der Automaten ergibt. Der Basisabgabesatz beträgt 40 Prozent. Er wird auf Bruttospielerträgen bis 10 Millionen bei den B- Casinos und bis 20 Millionen bei den A- Casinos erhoben. Für jede weitere Million steigt der Grenzabgabesatz um 0.5 Prozent bis zum Höchstsatz von 80 Prozent. Der Tronc unterliegt nicht der Spielbankenabgabe. Wichtig ist – und das war ebenfalls der Wille des Gesetzgebers – dass die Spielbank bei den fiskalischen Belastungen in ihrer Gesamtheit (die Spielbankenabgabe ist ja nur ein Element) bei professionellem Betrieb wirtschaftlich erfolgreich arbeiten kann.

ISA-CASINOS: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

Schneider: Im Winter laufe ich leidenschaftlich gerne Ski. Im Sommer zieht es mich an das Wasser. Ich habe das Glück, in einer wunderbaren Gegend der Schweiz – am Bielersee – über ein kleines Ferienhaus mit Garten direkt am See zu verfügen. Zudem besitzt meine Partnerin eine Segelyacht. Es gibt nichts Schöneres, als das Wochenende bei Sonnenschein auf dem See zu verbringen, nachts vor Anker zu liegen und bei einem einfachen Mahl sowie einem guten Glas Wein über Gott und die Welt zu philosophieren. Daneben höre ich Musik, am liebsten Jazz.

ISA-CASINOS: Herr Schneider, vielen Dank für das Gespräch.