Ein A Casino in zu engen B Schuhen

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
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Interview mit Urs-Holger Spiecker, CEO Casino Mendrisio

Casino Mendrisio: Ein A-Casino in drückenden B-Schuhen

Wie eine B-Konzession für alle Betroffenen Nachteile bringt.

Es klingt wie die Geschichte des kleinen gallischen Dorfes: In einem Gebiet mit der höchsten Casinodichte Europas, in unmittelbarer Nähe des Casinò Campione d’Italia, das in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen feiert und zu den grössten Casinos Europas gehört, und des A-Casinos Lugano, liegt in Mendrisio ein smartes B-Casino, das in den Räumen des ehemaligen Kursaals (dem damals grössten der Schweiz) eröffnet wurde. Es gehört der ACE-Gruppe und damit zur Novomatic Group of Companies. Nirgendwo in Westeuropa wird länger in einem Casino gespielt als in Mendrisio: 20 Stunden von 11 Uhr bis 7 Uhr wird täglich an den permanent überfüllten 150 Slots und 24 Spieltischen gespielt. Gleich an der Autobahn gelegen mit 1200 Parkmöglichkeiten und einem serviceorientierten Konzept hat sich das Casino Mendrisio zum zweitgrössten Casino der Schweiz entwickelt. Auch wenn man sich in Bern die Hände reiben kann (übertrifft Mendrisio doch als einziges Casino den 80% Grenzabgabesatz und wird somit bester Schweizer Casino Steuerzahler), kämpfen die 232 Mitarbeiter täglich mit den Einschränkungen der B-Konzession. Urs-Holger Spiecker, der als CEO zu den Aufsteigern in dieser Branche gehört, im Exklusivinterview zur Situation.

ISA-CASINOS: Sie waren 16 Jahre in Deutschland im Casino-Business tätig. Wie schätzen Sie die heutige Schweizer Casinolandschaft ein?

Urs-Holger Spiecker: Schon als ich im Jahr 2000 in die Schweiz kam, war ich von der Professionalität überrascht, mit der die damaligen Kursäle betrieben wurden. Ich denke es ist sehr gut gelungen von diesem hohen Niveau kommend, heute Casinos zu präsentieren, die den Vergleich mit dem europäischen Standard nicht zu scheuen brauchen und diesem in vielen Bereichen bereits überlegen sind.

ISA-CASINOS: Wie beurteilen Sie die ersten Resultate der neuen Casinos?

Spiecker: Im Tischspiel sind die Erwartungen durchaus erfüllt oder sogar übertroffen worden. Hier sind vor allem die Casinos in Grenznähe, die also auf tischspielerfahrene Kunden zählen können, überdurchschnittlich erfolgreich. Im Automatenspiel zeigt sich hingegen, dass die bisherigen Kursäle mit Slots in ihrer Bedeutung und Leistung unterschätzt wurden. Casinos, die aus einem Kursaal entstanden sind, erreichen selten die erhofften Steigerungen. Casinos ohne vorherigen Kursaal entwickeln sich im Automatenspiel oft nur langsam.

ISA-CASINOS: Wie verläuft die Entwicklung im Casino Mendrisio?

Spiecker: In Mendrisio sind unsere Erwartungen sowohl im Automatenspiel als auch im Tischspiel übertroffen worden. Trotzt der teilweise grossen Behinderungen durch die B-Konzession liegen wir vom Umsatz her vor den meisten der bereits geöffneten A-Casinos. Das Jahresziel 2003 wurde auf einen BSE von 80 Mio. CHF erhöht.

Dies überrascht. Liegen doch mit Lugano und Campione zwei sehr grosse Casinos ohne Spieleinschränkungen direkt vor der Haustüre!

Es ist uns bislang gelungen, den enormen Wettbewerbsnachteil durch Qualität, die sich vor allem in einem ausgeprägten Service zeigt, auszugleichen. Das südliche Tessin bietet allerdings auch in Zukunft Platz für drei Casinos, die sich natürlich hinsichtlich ihrer Ausrichtung auf die jeweiligen Stärken konzentrieren müssen. Der Vorteil von Mendrisio ist dabei die günstige Erreichbarkeit. Demzufolge überrascht es nicht, dass mehr als 80% unserer Gäste in Italien wohnhaft sind. Es könnten noch mehr sein, wenn wir nicht täglich Abgänge in Richtung Campione zu verzeichnen hätten, da wir zuwenig Slots, unattraktive Maximumeinsätze und ein beschränktes Spielangebot offerieren müssen.

ISA-CASINOS: Man hört heraus, dass die Wettbewerbsverzerrung der B-Konzession Ihnen einige Probleme schafft. Welches sind für Sie die herausragenden Nachteile, die den Wettbewerb hauptsächlich verfälschen?

Spiecker: Das Hauptproblem ist ein betriebswirtschaftliches Paradoxon: In Mendrisio ist, wegen der aus meiner Sicht nicht nachvollziehbaren doppelt so steilen Steuerprogression, die Steuerbelastung rund 10 Millionen Franken höher als bei einem A-Casino gleicher Grösse. In Mendrisio liegt der Grenzabgabesatz bei 80% (B-Casinos erreichen diesen bei einem Jahres-BSE von 50 Mio. CHF Anm. d. Redaktion). Rechnet man die Aufsichtsabgabe dazu, so verbleiben von jeder Umsatzsteigerung, die wir z.B. durch Marketingmassnahmen erzielen, weniger als 20% beim Unternehmen. Auf diese entfallen, anders als in anderen Länder (etwa in Deutschland) danach noch die regulären Unternehmenssteuern. Eine solche Besteuerung ist marktwirtschaftlich kontraproduktiv, da der Unternehmer viele Möglichkeiten zur Umsatz- und damit Steuergenerierung aus Kostengründen nicht ausschöpfen kann. Vor dem Hintergrund höherer Kosten in den B-Casinos durch die niedrigeren Einsätze wird die Situation nahezu grotesk. Ich hoffe, dass die beabsichtigte Neufassung der Spielbankenverordnung diese Situation bereinigen wird.

Im Tischspiel bemängeln die Gäste die zu stark limitierten Maximumeinsätze und fragen nach weiteren Spielangeboten.

Im Automatenspiel verlieren wir Kunden vor allem wegen des Einsatzlimits von 5 Fr. pro Spiel. Die Begrenzung auf 150 Slots führt dazu, dass bereits nachmittags häufig alle Geräte belegt sind. Dadurch verlieren wir Gäste in Richtung Campione und somit auch Steuereinnahmen in Richtung Italien. Um die Kundenbedürfnis erfüllen zu können, benötigen wir deutlich mehr Automaten. Dass vom Gesetz geforderte Verhältnis Tische/Slots würde uns bei 24 Tischen 600 Slots erlauben…

Die schwer nachvollziehbare 200-Franken-Limite auf dem Kreditmeter führt zudem dazu, dass bei uns täglich bis zu 1500 Handauszahlungen notwendig sind. Dies verursacht neben Sicherheitsrisiken, durch grosse Cash-Bewegungen im Spielsaal, naturgemäss höhere Personalkosten.

Die strenge Vorschrift, keine Automaten aus dem eigenen Konzern einsetzen zu können, verbietet uns zudem den Einsatz der nicht nur in der Schweiz sehr erfolgreichen Novomatic-Geräte. Durch die weltweit einzigartigen Anforderungen an die B-Geräte, ist die Auswahl an Slots ohnehin stark eingeschränkt. Einige Anbieter haben sich bereits gänzlich oder teilweise aus diesem Markt zurückgezogen.

ISA-CASINOS: Was erwartet den Kunden bei einem Besuch in Mendrisio?

Spiecker: Das Konzept von Mendrisio offeriert einen unterhaltsamen Casinobesuch ohne unnötige Hindernisse. Direkt an der Autobahn gelegen erreicht man es über jederzeit ausreichende und gebührenfreie Parkplätze und immer trockenen Fusses. Ohne steife Kleidervorschriften oder gar Eintrittsgebühren steht einem unterhaltsamen Abend von 11 Uhr bis 7 Uhr morgens nichts im Wege. Ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis der Gastronomie, aufmerksamer Service, häufige attraktive Aufmerksamkeiten und am frühen Abend kostenlos offerierte Snacks sind weitere Gründe, die Mendrisio so beliebt machen. Gäbe es nicht die Einschränkungen der B-Konzession könnten wir uns darüber hinaus z.B. im Veranstaltungsbereich erheblich mehr betätigen. Wir haben Informationen, dass der Marketingetat des Casinos Campione d’Italia schon heute 10 Mal grösser ist als der unsere, der durch die Steuerbelastung naturgemäss stark beschnitten wird.

Noch schwerer kann es in 2 Jahre werden, wenn das neue Casino Campione seine Tore eröffnet. Wir sprechen hier von einem Palast von 12 Stockwerken, der direkt am See vom Stararchitekten Mario Botta erbaut wird. Dazu gehören 500 zusätzliche gedeckte Parkplätze, ein riesiger Veranstaltungssaal, der Las Vegas ähnliche Shows ermöglichen wird, sowie zahlreiche gastronomische Möglichkeiten und eine Ladenpassage die praktisch 24 Stunden geöffnet sein wird.

ISA-CASINOS: Immer wieder ist die Rede von der hohen Casinodichte, die in Europa wohl nur noch von Monaco oder Kroatien übertroffen wird. Glauben Sie, dass alle Casinos trotz des zum Teil schlechten Starts wirtschaftlich überleben können?

Spiecker: Zunächst muss beim Vergleich der Casinodichte der in der Schweiz verhältnismässig kleine AWP-Markt berücksichtigt werden. In Deutschland finden sie beispielsweise in jeder Kleinstadt mehrere Spielsalons, die hohe Beträge ohne vergleichbare staatliche Aufsicht einspielen.

Ich schätze das Potenzial der Schweizer Casinos auf 700 Millionen Franken jährlich. Diese Zahl rechtfertigt durchaus die Zahl der schlussendlich einmal 22 Casinos.

Das derzeitige Problem der B-Casinos wird durch folgende Formel deutlich:

1. Aufwand und Kosten wie ein A-Casino
2. Weniger Umsatzpotential durch die Angebotseinschränkungen
3. Aber mehr Steuern !!

Wenn die Spielbankenverordnung den Realitäten angepasst wird, haben alle Casinos in der Schweiz eine gute Chance, in ihrem jeweiligen Markt erfolgreich zu operieren.