Ein Land, zwei Gesetze – Sports Gaming Summit am Schwielowsee: Glücksspielanbieter erwarten chaotisches Jahr – Folgen weitere Länder dem Modell Schleswig-Holstein?

Potsdam/Werder, März 2012.
Über allem schwebte die eine Frage: Was sagt Brüssel? In Erwartung einer Stellungnahme der Europäischen Kommission zum so genannten E-15-Entwurf für einen neuen Glücksspielsstaatsvertrag, den alle Bundesländer mit Ausnahme Schleswig-Holsteins auf den Weg gebracht haben, trafen sich am Schwielowsee bei Potsdam über 100 Spitzenvertreter aus dem Gamingsektor, Medien und Sport, um beim Sports Gaming Summit des Fachmagazins Sponsors http://www.sponsors.de die aktuelle Markt- und Rechtslage zu diskutieren. Während Schleswig-Holstein mit seinem – bereits von der EU-Kommission goutierten – Glücksspielgesetz auf eine Liberalisierung und gleichzeitige Regulierung des Marktes und gesetzlich geregelte Einnahmen für den organisierten gemeinnützigen Sport setzt, derzeit noch an der konkreten Ausgestaltung wie einer Überwachungsverordnung arbeitet und in Kürze die ersten Lizenzen vergeben wird, halten die übrigen Bundesländer mit ihrem Entwurf an restriktiven Regelungen fest, klammern beispielsweise den Online-Poker-Markt und Casino-Spiele ganz aus und schreiben eine willkürliche Zahl von zu vergebenden Lizenzen für Glücksspielanbieter vor. In einem ersten Entwurf waren dies sieben, im zweiten sind es 20 – ein Land, zwei Glücksspielgesetzgebungen. Dass Deutschland schon bald über ein flächendeckendes und europarechtskonformes Glücksspielrecht verfügen wird, dagegen meldeten die Teilnehmer in der Summe große Bedenken an. In Schleswig-Holstein, so Dr. Henrik Bremer von der Rechtsanwaltskanzlei Bremer Grimm Heller, sei jedoch nach abschließenden verwaltungstechnischen Vorbereitungen zweifellos noch vor den Landtagswahlen mit der Vergabe der ersten Lizenzen für die Dauer von sechs Jahren zu rechnen.

E-15-Entwurf: ein vergiftetes System

„Ein Jahr des Chaos“ ist es, das die Branche angesichts der derzeitigen Entwicklung erwartet. So zumindest drückte es bwin-Direktor Jörg Wacker aus. Den Geist des E-15-Vertrages charakterisierte Dr. Wulf Hambach, Gründer und Managing Partner der Münchener Kanzlei Hambach & Hambach http://www.timelaw.de, als einen, „der aufgrund seiner enormen Steuerbelastung von ursprünglich 16,67 Prozent auf den Umsatz und sieben Lizenzen schon im Ansatz nicht dazu geeignet sein sollte, tatsächlich Wettbewerb zu generieren.“ Hambach sprach von einem „vergifteten System“, in dem kein Anbieter tätig werden könnte und auch nicht profitabel anbieten sollte. Eben für diesen Gesetzesentwurf hätten bereits im Sommer 2011 die Bundesländer die rote Karte bekommen. In der Folge sei weder die Nachbesserungsfrist gegenüber der EU, nämlich der 18. August, eingehalten worden, noch sei der dann erst zum Jahresende eingereichte neue Entwurf wettbewerbsfähig, da am System und damit auch am „Geist des Gesetzes“ nichts geändert worden sei. In einem laufenden Notifizierungsverfahren einen neuen Entwurf einzubringen, sei zudem fragwürdig. Hambach kritisierte auch die Vorgehensweise der Bundesländer, die ihren ursprünglichen Entwurf seinerzeit ohne Gesetzesbegründung in Brüssel vorgelegt hätten. Da Brüssel für E-15 die Ampel nicht auf grün schalten werde, dürfte die Gemengelage demnächst noch unklarer werden: Hessen und Niedersachsen hätten ihre Zustimmung zum E-15-Vertrag nämlich in einer Protokollnotiz zum E-15-Vertrag von „einer abschließend positiven Bewertung“ aus Brüssel abhängig gemacht. Das von CDU und FDP in Kiel ausgearbeitete Gesetz hingegen sei so angelegt, dass es in einen Glücksspielstaatsvertrag mit anderen Bundesländern überführt werden könne. Die Ankündigung des rheinland-pfälzischen Staatskanzleichefs Martin Stadelmeier vom August, bis Ostern 2012 sei der E-15-Vertrag ratifiziert, sei bereits von der Realität überholt worden.

Die technischen Herausforderungen, die mit dem Modell Schleswig-Holstein einhergehen, hält Hambach mit Blick auf vielfache Befürchtungen eines Anstieges der Geldwäsche für durchaus beherrschbar. Was technisch alles möglich ist, um Manipulation, Geldwäsche und auch Suchtgefährdung vorzubeugen, erläuterte beim Sports Gaming Summit Burkhard Ley, Vorstand der Wirecard Bank, die als Vollbank von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kontrolliert wird und technische Mechanismen entwickelt hat, die im Rahmen des elektronischen Zahlungsverkehrs der Geldwäsche- und Betrugsprävention dienen. Schließlich sieht die Regulierungsverordnung in Kiel vor, dass die Online-Glücksspielanbieter den elektronischen Zahlungsverkehr über eine Vollbank abwickeln müssen. Damit, so Hambach, sei auch die BaFin eingebunden. „Mehr Geldwäscheprävention geht nicht.“

Gesetzesgarantie: Gemeinnütziger Sport profitiert

Wenig optimistisch blickte Dr. Dirk Quermann, CEO der Gauselmann-Tochter Merkur Interactive GmbH, auf die derzeitige Entwicklung jenseits von Schleswig-Holstein. Er bemängelte insbesondere, dass E-15 den Spielerwunsch komplett ignoriere: Für einen privaten Anbieter mache es wenig Sinn, eine solche Lizenz zu beantragen, da man kein vom Spielgast nachgefragtes Angebot kreieren könne. Kiel biete mit seinem Modell nun die Möglichkeit, überhaupt mit Online-Angeboten legal in das deutsche Geschäft einzusteigen und dem Spieler ein attraktives Angebot zu machen.

Für den ehemaligen Berliner Innensenator Dr. Erhart Körting (SPD) stellt sich unter anderem die Frage, ob die Zahl der 20 Lizenzen, den der Glücksspielstaatsvertrag vorsieht, vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben wird. Er hält es durchaus für möglich, dass der Vertrag nicht zustande kommen wird, und „dass die 15 Länder, je nach politischer Couleur, eigene Glücksspielgesetze machen.“ Einige Länder scharrten für diesen Fall bereits mit den Füßen. Für ihn sei es wichtig, dass aus den Erlösen der Spielangebote der gemeinnützige Sport sowie soziale Projekte gefördert würden. Dr. Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), appellierte nachdrücklich an die Notwendigkeit einer einheitlichen Lösung, auch vor dem Hintergrund des derzeit im Bundestag diskutierten neuen Rennwett- und Lotteriegesetzes. Wie Frank Bohmann, Geschäftsführer der Toyota Handball-Bundesliga und Repräsentant der Initiative Profisport (IPD), unterstrich auch er die Notwendigkeit, dass ein gewisser Anteil der Erträge aus dem Sportwettengeschäft an den gemeinnützigen Sport fließen soll. Für Vesper gilt: „Ohne Sport keine Sportwette.“ Genau das schreibt Schleswig-Holstein vor. „Erstmals gibt es hier überhaupt in einem Gesetz eine Finanzierungsgarantie zugunsten des gemeinnützigen Sports“, erläuterte Professor Dr. Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule http://www.dshs-koeln.de. Insgesamt sei das Schleswig-Holstein-Modell viel näher an der Realität mit Blick auf Spielerschutz, Prävention, Verwendung der Steuereinnahmen und Werbemöglichkeiten, so der Wissenschaftler.

Dass die Sportclubs im Norden längst attraktive Sponsoringpakete mit Anbietern aus der Branche geschnürt haben, machte der Branchentreff in Brandenburg ebenfalls deutlich. So werben die Handball-Größen THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt mit bwin bzw. bet-at-home. Fußball-Regionalligist VfB Lübeck konnte zu Jahresbeginn eine Namingright-Vereinbarung für das Lohmühle-Stadion mit dem weltweit größten Online-Pokeranbieter Pokerstars treffen, der mittlerweile in acht europäischen Ländern über Glücksspiellizenzen verfügt. Bis zum Erhalt der schleswig-holsteinischen Online-Pokerlizenz werde Pokerstars jedoch auch weiterhin auf der URL www.pokerstars.de eine kostenlose Spielgeldseite anbieten, da dies – wie mit den Landesmedienanstalten abgeklärt – auch lizenzfrei möglich sei. Kevin O’Neal, Director Business Development bei Pokerstars, skizzierte zum VfB-Lübeck Engagement die Sponsoring-Strategie „Small name, big potential“, die auch beim heutigen Poker-Weltmeister Pius Heinz gegriffen habe. So setze man einerseits auf klangvolle Namen wie Tennislegende Boris Becker, der heute selbst begeisterter Pokerspieler sei und dies authentisch vermittle, aber eben auch auf den vermeintlichen Underdog, der es als Kämpfernatur im (Poker-)Sport zu etwas bringen könne.

Das Resümee vom Schwielowsee: Die Szene bleibt in Bewegung. Brüssel wird zumindest kein grünes Licht geben können. Möglicherweise droht dann ein dem deutschen Föderalismus geschuldeter Flickenteppich in Sachen Glücksspiel. Schleswig-Holstein hat Pionierarbeit geleistet und wird auch fiskalisch davon profitieren. Spätestens dann werden auch andere Bundesländer nachziehen und sich dem Kieler Modell mindestens annähern. (Andreas Schultheis)

Der Autor war wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Europaabgeordneten und beschäftigt sich als freier Journalist seit Jahren mit der Entwicklung der Glücksspielgesetzgebung.

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