PokerNews Interview mit Full Tilt Pro Markus Lehmann

Georg Steiner

Markus Lehmann spielt seit 35 Jahren Poker. Spätestens seit seinem Sieg bei der World Poker Tour 2001 in Barcelona zählt er zur Elite der deutschen Pokerspieler. PokerNews hat ihn im Rahmen der Full Tilt Poker Million Euro Challenge zum Interview gebeten.

Die WSOP 2010 ist beinahe vorbei, wie zufrieden bist Du mit deinem Abschneiden?

Sehr. Heuer hat mir die WSOP richtig Spaß gemacht. Las Vegas ist Streß pur, so viele Menschen, so viele Turniere, da muss man sich seine Zeit genau einteilen, sonst ist man nach fünf Tagen kaputt. Heuer bin ich 14 Tage später eingestiegen. Ich wollte mich im ersten Turnier eigentlich erst warmspielen und wurde bei 2.500 Teilnehmern gleich 18. Ich hatte sogar die Chance auf den Final Table und das Bracelet, aber es ist dann am Ende etwas unglücklich gelaufen. Mit diesem Preisgeld war es für mich natürlich eine akzeptable WSOP.

Wo liegt für Dich als langjähriger, erfolgreicher Spieler die Motivation bei so einem großen Turnier, wie der WSOP? Ist es das Preisgeld, oder fokussierst du Dich ausschließlich auf ein Bracelet?

Für mich ist das Bracelet entscheidend. Das Bracelet ist so etwas wie ein virtuelle Meisterkrone und am Ende sind es die Titel die zählen. Wie viel Geld diese Titel wert waren, ist im Nachhinein uninteressant. Mein Wunsch ist es, wie übrigens für jeden Pokerspieler, ein Bracelet zu gewinnen. Die WSOP ist ein außerordentlicher Event, da muss man dabei sein.

Michael Mizrachi ist, ähnlich wie Phil Ivey im Vorjahr, der letzte große Star am Final Table des Main Events. Wie schätzt Du seine Chancen ein?
Wenn in einem Event über 7.000 Spieler starten, dann kommt am Ende fast immer eine Überraschung heraus. Mathematisch betrachtet muss ich bis zu 20 Coinflips gewinnnen um an den Finaltisch zu kommen. Das Element der Stärke wird am Ende relativer. Eines darf man dabei auch nicht vergessen. Die Mitglieder der November Nine, die im November wieder antreten, sind andere Pokerspieler, als jene, die den Finaleinzug geschafft haben. In der Zwischenzeit hatten sie die Möglichkeit sich weiterzubilden und die Gegner zu studieren. Wenn es bei mir um 9 Millionen ginge, dann würde ich mir auch drei Monate Zeit nehmen, um mich vorzubereiten. Das heisst, die Gegner von Michael werden starke Gegner sein, die Varianz im Können ist nicht mehr so groß.

Michael ist natürlich ein sensationell guter Spieler und auch ein toller Kerl. Er hat alle Chancen. Für einen Profi ist der Druck noch größer als für einen Amateur, denn der hat nichts zu verlieren. Der Profi spielt diese eine Chance seines Lebens und diesen Druck auszuhalten ist ganz schwierig. Ich finde es ganz ausgezeichnet, dass sich ein so fundierter Spieler durchgesetzt hat und den Einzug in die November Nine geschafft hat.

Poker verdankt einen Großteil seiner Popularität im deutschsprachigen Raum der verstärkten TV-Präsenz. Du bist fixer Bestandteil der German Highroller, was hat sich für Dich persönlich dadurch geändert?

Es passiert schon mal, dass einzelne Gegner mir sagen, ich weiß welche Hände du spielst und ihr Wissen einsetzen. Ansonsten hat sich im Spiel nicht viel geändert. Natürlich kann es sein, dass ein Spieler sagt: „Du bist ein bekannter Profi und ich möchte gegen dich spielen.“ Einige Gegner erhöhen das Risiko um eine bessere Chance zu bekommen, andere sind beeindruckt und ich kann das für mich nutzen.

Der EuGH hat vor wenigen Tagen das deutsche Glücksspielmonopol gekippt, das wird möglicherweise auch Auswirkungen auf Poker haben. Wo siehst Du denn die Zukunft von Poker in Deutschland?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Deutschland andere gesetzliche Modelle einführt, wie andere europäische Länder. Italien und Frankreich haben Poker liberalisiert und in England ist es sowieso jedem egal. Poker ist ein Massensport, das ist kein Spiel im Hinterzimmer mehr, wie vor 30 Jahren. Wenn es ein Spiel gibt, bei dem man seine Fähigkeiten verbessern und dazulernen kann, dann ist es Poker. Man kann die Mathematik, die Psychologie und die Disziplin, die dazu gehören lernen und dann kann jeder ein Gewinner werden.

Wir Pokerspieler möchten, dass der Markt reguliert wird, denn wir sind Sportler und wir haben Spaß an Poker. Das Spiel tut auch dem Arbeitsmarkt gut, denn es schafft unglaublich viele Arbeitsplätze. Es gibt nur wenige Argumente gegen eine Liberalisierung und ich denke daher dass sich die guten Argumente dafür durchsetzten werden. Lassen wir uns überraschen. Ich hoffe, dass die Politiker, die am Ende die Entscheidung treffen, einfach gut informiert sind.

Du hast langjährige Erfahrung im Poker, wie hat sich der Sport in den letzten Jahren verändert?

Der Sport und die Herausforderungen sind größer geworden. Mehr Spieler, mehr junge Leute, die sich dafür interessieren und damit hat man auch viele unbekannte Gesichter am Tisch. Früher kannte man die Pokerspieler, heute kommen 21-jährige Spieler an den Tisch und spielen brilliantes Poker. Da ist man dann schon überrascht, dass ein 25-jähriger hervorragend spielt. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass er online schon mehr Hände gespielt hat, als Doyle Brunson in seinem ganzen Leben.

Innerhalb des Spiels gibt es einen Rhythmus, der sich immer wieder verändert. Früher wurde sehr tight, später eher loose gespielt, mittlerweile schlägt das Pendel wieder in eine eher tightere Spielweise zurück. Man muss einfach am Puls der Zeit sein und sich ansehen, wie das Gros der Spieler Poker anlegt. Ein Pokerprofi hat die Herausforderung jede Spielweise meistern zu können.

Markus, vielen Dank für das Interview!