ISA-GUIDE sprach mit Erwin Horak, Präsident von LOTTO Bayern und Federführer im Deutschen Lotto- und Totoblock, über die EUGH-Urteile vom 8. Sept. 2010

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
E-Mail: info@isa-guide.de


Erwin Horak ist seit September 1997 Präsident der Staatlichen Lotterieverwaltung Bayern und in Personalunion Chef der neun Spielbanken im Freistaat. Der 60-jährige Jurist leitete bis 1997 das Pressereferat des Finanzministeriums. Erwin Horak, Präsident von LOTTO Bayern und Federführer im Deutschen Lotto- und Totoblock stellte sich in einem Interview den Fragen von ISA-GUIDE.

ISA-GUIDE Chefredakteur Reinhold Schmitt: Der EuGH hat am 8. September 2010 in mehreren deutschen Vorlageverfahren zum Glücksspielrecht entschieden. Bedeuten diese Urteile das Aus für das Glücksspielmonopol in Deutschland, wie vielen Meldungen in den Medien zu entnehmen war?

Erwin Horak: Das deutsche Modell des gemeinwohlorientierten Glücksspielstaatsvertrages ist – im Gegensatz zu den Behauptungen der kommerziellen Glücksspielindustrie – nicht in Frage gestellt worden. Im Gegenteil: Der EuGH bleibt bei den Grundsätzen seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der ein ausschließlich staatliches Glücksspielangebot zulässig ist, wenn damit Ziele des Spielerschutzes, des Jugendschutzes, der Suchtprävention oder der Eindämmung der Kriminalität verfolgt werden. Diese Ziele sind im Glücksspielstaatsvertrag, der auch weiterhin gültig bleibt, ausdrücklich festgeschrieben und sind weiterhin die zentralen Leitplanken für die Lottogesellschaften. Die Entscheidung über die Konsistenz und Kohärenz der Glücksspielregulierung obliegt den nationalen Gerichten, denen der EuGH lediglich Auslegungshilfen gibt.

ISA-GUIDE Schmitt: Was hat der EuGH in seiner Kernaussage denn überhaupt entschieden?

Horak: Der EuGH hat deutlich gemacht, dass im aktuellen Regulierungsansatz eine Kohärenzlücke besteht. Eine konsistente Regulierung erfordert, dass bei weitem suchtgefährdendere Glücksspielbereiche – insbesondere das gewerbliche Automatenspiel in Spielhallen – mindestens in gleichem Maße und konsequent am Spielerschutz orientiert reguliert werden müssen. Hier ist die Politik in Bund und Ländern gefordert. Nach den Urteilen des EuGH rechtfertigen unterschiedliche Gesetzgebungszuständigkeiten keine unterschiedliche Regulierungsintensität.

ISA-GUIDE Schmitt: Welche Bedeutung haben die Entscheidungen des EuGH für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union?

 Erwin Horak, Präsident von LOTTO Bayern und Federführer im Deutschen Lotto- und Totoblock
Erwin Horak, Präsident von LOTTO Bayern und Federführer im Deutschen Lotto- und Totoblock

Horak: Die EU-Länder können auch nach den jüngsten Urteilen entscheiden, ob sie ein am Gemeinwohl orientiertes ausschließlich staatliches Glücksspielangebot oder ein Kommerzmodell wollen. Noch einmal betont hat der EuGH, dass Genehmigungen zum Anbieten von Sportwetten, die in einem Mitgliedstaat der EU erteilt werden, auf dem Gebiet der anderen Mitgliedsstaaten keine Gültigkeit haben, weil eine gegenseitige Anerkennung nationaler Glücksspiellizenzen beim derzeitigen Stand des Unionsrechts nicht durchführbar sei. Glücksspielanbieter aus anderen Ländern dürfen also nach den Urteilen weiterhin nicht ohne Erlaubnis in Deutschland tätig werden.

ISA-GUIDE Schmitt: Was besagen die EuGH-Urteile in Sachen Werbung für Glücksspiele und Sportwetten?

Horak: Der EuGH lässt Werbung für das ausschließlich staatliche Angebot ausdrücklich zu. Bei seinen kritischen Anmerkungen ist zu beachten, dass die Urteile vom 8. September dieses Jahres zum Teil Verfahren aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages betreffen. Soweit also Werbemaßnahmen der Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblock beanstandet werden, können nur solche gemeint sein, die aus der Zeit vor dem 01.01.2008 stammen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde Werbung von den Gesellschaften des DLTB äußerst restriktiv gehandhabt. Die Auswirkungen der Aussagen des EuGH zur Werbung sind allerdings noch abschließend zu prüfen.

ISA-GUIDE Schmitt: Die Entscheidungen des EuGH haben ja den Profi- und den Breitensport in zwei Lager gespalten, wie in unterschiedlichen Verlautbarungen zu lesen war . Was sagen Sie dazu?

Horak: Nach diesen Urteilen ist klar, dass den Forderungen nach einer Teilkommerzialisierung der Sportwetten endgültig jegliche Grundlage entzogen ist. Eine Teilkommerzialisierung der Wetten würde die vom EuGH angemahnte Inkohärenz noch verstärken, nicht heilen. Im Übrigen ist nachzuvollziehen, dass der Breitensport sich gegen eine Kommerzialisierung ausspricht. Denn im Gegensatz zu einigen Profivereinen kann er nicht mit Sponsoringeinnahmen von Wettanbietern rechnen.

ISA-GUIDE Schmitt: Zum besseren Verständnis: Was waren die Auslöser für die jetzt getroffenen Entscheidungen des EuGH?

Horak: Gegenstand der Verfahren waren mehrere Vorlagefragen der Verwaltungsgerichte Gießen, Stuttgart und Schleswig an den EuGH. Behörden in Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein untersagten es einer Reihe von kommerziellen Anbietern, Sportwetten zu veranstalten oder zu vermitteln. Gegen diese Verbotsverfügungen klagten die Unternehmen vor den Verwaltungsgerichten, welche die Verwaltungsakte zunächst aussetzten und dem EuGH vor dem Hintergrund des von Ihnen festgestellten Sachverhalts einzelne Fragen zur europarechtlichen Beurteilung des Glücksspielstaatsvertrages vorlegten. Diese Fragen hat der EuGH beantwortet.

ISA-GUIDE Schmitt: Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt hat als Mitglied des Ethikbeirats des DLTB den Bundeswirtschaftsminister zu einer schärferen Regulierung von Spielautomaten aufgefordert. Wie ist ihre Meinung dazu?

Horak: Da kann ich Frau Schmidt nur zustimmen. Die Probleme liegen im Bereich des gewerblichen Automatenspiels in den Spielhallen. Aus diesem Bereich kommen rund 80 Prozent aller in Behandlung befindlichen Spielsüchtigen, wie Wissenschaftler und Suchtexperten einhellig bestätigen. Die Spielhallen schießen wie die Pilze aus dem Boden, die Gewinne aus den Spielhallen verbleiben bei den Investoren und Betreibern, die Belastungen aus der von ihnen verursachten und geförderten Spielsucht aber werden der Allgemeinheit und dem Staat aufgebürdet. Vor allem die Debatte in den Kommunen der letzten Zeit hat deutlich gemacht, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, Der Bereich liegt in der Verantwortung des Bundes. Darum ist es jetzt Aufgabe der Bundesregierung, das dortige Regelungsdefizit zu beseitigen, damit in Deutschland alle Bereiche im Sinne des Spielerschutzes geregelt werden. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat bereits deutlich gemacht, dass auch aus ihrer Sicht eine widerspruchsfreie Neuregelung notwendig ist, weil insbesondere beim gewerblichen Automatenspiel in Spielhallen und Gaststätten der Spielerschutz nicht ausreichend gewährleistet sei.

ISA-GUIDE Schmitt: Herr Horak, vielen Dank für das Interview.