Interview mit Prof. Jörg Häfli – Dozent und Projektleiter beim careplay Kompetenzzentrum für Spielsuchtprävetion

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
E-Mail: info@isa-guide.de


Casinos profitieren von Einsätzen der Spieler. Nicht stabile Casinobesucher geraten dann in eine Euphorie und überschätzen ihr Spielvermögen. Gesetzliche Vorgaben binden die Casinos an Maßnahmen der Spielsuchtprävention. Heute sprechen wir mit Prof. Jörg Häfeli, Dozent und Projektleiter, vom Schweizer „careplay – Kompetenzzentrum für Spielsuchtprävention“.

Prof. Jörg Häfeli (48) ist Dozent und Projektleiter. Der verheiratete Vater von drei Töchtern hat sich über den Beruf des Kaufmanns in einem internationalen Unternehmen zum Sozialarbeiter umgeschulen lassen. Seine langjährigen Erfahrungen in der Suchtberatung und sein Studium in Organisationsentwicklung waren Basis für seine seit 5 Jahren am Institut der Hochschule für Sozialarbeit in Luzern/Schweiz ausgeübte Tätigkeit als Dozent und Projektleiter.

ISA-CASINOS Chefredakteur, Reinhold Schmitt: Herr Häfeli, Spielsucht ist für die meisten Menschen, ob innerhalb oder außerhalb von Casinos, ein Reizwort. Betroffene bestreiten sie, Nichtbetroffene fragen nach der „Ansteckungsgefahr“. Was genau bezeichnen Sie als Spielsucht?

Prof. Jörg Häfeli: Spielsucht zeichnet sich durch folgende Indikatoren aus: Das Spielen um Geld ist zu einem zentralen Lebensinhalt geworden. Die Alltagsgedanken und Aktivitäten sind auf das Glücksspiel und der damit zusammenhängenden Geldbeschaffung fokussiert. Folgen davon sind dann in erster Linie eine Verschuldung und der Rückzug aus wichtigen sozialen Beziehungen. Spielsucht entwickelt sich erfahrungsgemäss über mehrere Phasen und hat vielfältige Ursachen. Die Tatsache des Vorhandenseins von Glücksspielangeboten allein ist nur ein Puzzlestein im Zustandekommen einer Spielsucht.

ISA-CASINOS: Wie sieht die Schweizer Gesetzlage aus?

Häfeli: Der Schweizerische Bundesrat hat letztes Jahr 22 Betriebskonzessionen verteilt. Diese Unternehmen unterstehen alle demselben Gesetz.
Das Gesetz besagt auf seiner obersten Ebene, dass es den Zweck hat, u.a. den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels vorzubeugen. In den Ausführungsbestimmungen wird dann von Betreibern einer Spielbank ein Sozialkonzept verlangt, welches in der Praxis umgesetzt werden muss. Das Sozialkonzept beinhaltet kurz gesagt:

  • eine Zusammenarbeit und Vernetzung mit Präventionsfachstellen
  • Informationsbroschüren zu den Risiken des Spiels einschliesslich eines Selbsttests und Angaben zu weiteren Hilfeleistungen
  • Aus- und Weiterbildung des Personals zur Früherkennung von Problemspielern und zum Ansprechen von Gästen. Diese Kurse werden jährlich aufgefrischt und in Erfahrungsaustauschgruppen vertieft.
  • Massnahmen wie Spielsperren (selbstbeantragt und verordnet)

Die Spielsperren sind mit allen Schweizer Spielbanken elektronisch vernetzt. Wir kennen in der Schweiz zwar nicht die Registrierung beim Spielbankenbesuch; hingegen muss man sich beim Eintritt ausweisen. Und dabei wird eben kontrolliert, ob jemand gesperrt ist oder nicht.

ISA-CASINOS: Wie ist Ihr Institut / Bereich aufgebaut und wer finanziert das Projekt?

Häfeli: Wir sind ein Hochschulinstitut der zentralschweizerischen Fachhochschule. Eines unserer Schwerpunktthemen ist die Prävention. In diesem Zusammenhang haben wir uns in den letzten Jahren zu einem Kompetenzzentrum für Spielsuchtprävention entwickelt. Im Auftrag dreier grosser Spielbanken (Baden, Bern und Luzern) beraten wir die Unternehmen in der Umsetzung des Sozialkonzeptes, welches wir vor drei Jahren entwickelt haben. Die Aus- und Weiterbildung des Personals und die Datenerhebung zur Wirksamkeitsmessung sind ein weiterer Schwerpunkt dieses Auftrags. Finanziert wird diese Dienstleistung durch die Spielbanken. Die Weiterentwicklung unseres Know-Hows im Bereich des „Responsible Gambling“ sind Eigeninvestitionen.

ISA-CASINOS: Sie arbeiten präventiv. Welche Maßnahmen haben Sie bereits erfasst und sind erste Erfolge sichtbar?

Häfeli: Die Entwicklung einer Policy der Unternehmen, welche der Sorgfaltspflicht eine angemessene Bedeutung beimisst, waren die ersten Schritte. Denn nur was von den Geschäftsleitungen explizit gefordert wird, kann vom Spielbankenpersonal in der Alltagspraxis umgesetzt werden. Hier ist ein Unternehmen gefordert, eine realistische Balance zwischen unternehmerischen, sprich finanziellem Interesse und sozialer Verantwortung zu finden. Was hier als unlösbarer Widerspruch erscheint ist in der Tat eine hohe Herausforderung an das Management.
Auf dieser Basis haben wir die Schulungen von über 500 Mitarbeitern durchgeführt. Das Programm ist nach Funktionen abgestuft. Nicht der Croupier führt beispielsweise die Gespräche mit dem Gast, sonder der Tisch- oder Saalchef. Der Croupier kennt allerdings die Signale sehr gut, welche auf eine Suchtgefährdung eines Gastes hindeuten können. Er wird dafür sensibilisiert, und er muss wissen, was er mit diesen Wahrnehmungen macht.
Die Zeit von einem halben Jahr ist zu kurz, um Aussagen über Erfolge machen zu können. Doch die hohe Bereitschaft und das grosse Interesse des Personals an diesem Thema darf als gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des Sozialkonzeptes gesehen werden.

ISA-CASINOS: Die Mitarbeiter der Spielbanken müssen in ihren Handlungsweisen sehr aufmerksam agieren. Sind sie nicht damit überfordert, zusätzlich auf Signale einer Spielsucht von Teilnehmern zu achten?

Häfeli: Croupiers berichten uns das Gegenteil: Sie erfahren diese „Zusatzaufgabe“ als Bereicherung ihres Jobs. Eher ist es für sie belastend, einer kritischen Entwicklung eines Gastes zuzuschauen ohne handeln zu können. Sie wissen auch, dass es um eine Imagefrage ihrer Branche geht. Sind sie nun die Abzocker der Nation oder Dienstleister des Unterhaltungsangebotes? Nur, dieser Prozess des Unternehmensverständnisses in diesem Bereich wird nicht von heute auf morgen seine Früchte tragen. Es setzt unter anderem voraus, dass die Gehälter nicht existentiell vom Trinkgeld abhängig sind.

ISA-CASINOS: Welche Maßnahmen sollten die Mitarbeiter/innen der Spielbanken im Bedarfsfall leisten?

Häfeli: Die Croupiers sollen ja nicht zu Sozialarbeitern werden. Sie können in einem frühen Stadium einer möglichen Suchtentwicklung eingreifen. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Personen diese Aufmerksamkeit schätzen und ihr Spielverhalten in einigen Fällen wieder unter Kontrolle bringen konnten. Für andere ist es besser, sich für eine gewisse Zeit selbst sperren zu lassen und für einige bleibt nur noch die Sperrung durch die Spielbank. Dabei ist es wichtig, dass Informationen über Behandlungsmöglichkeiten bereitstehen. Wir sehen diese Massnahmen im Rahmen der Kundenorientierung sowie eines modernen Gästeservices einer Spielbank.

ISA-CASINOS: Betroffen sind nicht nur die Spieler, sondern auch und insbesondere die Angehörige. Sehen Sie hier den Handlungsbedarf gedeckt oder stellen Sie sich weitere Möglichkeiten vor, um auch diesen Personenkreis eine Hilfestellung zuteil werden zu lassen?

Häfeli: Meistens sind es ja Angehörige, in der Regel Frauen, die den grössten Problemdruck haben. Sie suchen zuerst Hilfe. Ein Ausbau spezialisierter Glücksspielsuchtberatungsstellen ist unbedingt notwendig. Auch hier wären weitere Selbsthilfegruppen sehr wertvoll. In der Regel entstehen Selbsthilfegruppen immer in Zusammenarbeit mit einer Beratungsstelle. Weiter sind ON-LINE Beratungen und Erfahrungsaustausch im Internet gute weitere Stützen.

ISA-CASINOS: Die ISA-CASINOS hat ein Forum eingerichtet, über das zum Thema Spielsucht diskutiert werden kann. Könnten Sie sich vorstellen, in diesem Forum auch Rede und Antwort zu stehen?

Häfeli: Wir haben gerade in diesen Tagen ein eigenes Forum in der Schweiz aufgeschaltet (unter www.careplay.ch). Wir kennen die Schweizer Situation sehr gut. Insofern ist es besser, wenn Kenner der Deutschen Szene mitmachen. Selbstverständlich schau ich mir dieses Forum immer an und wenn ich etwas dazu beitragen kann, tue ich das.

ISA-CASINOS: Die Schweiz ist nicht nur Nachbarland von Deutschland, sondern auch in Sachen „Spielersucht-Prävention“ von gesetzgeberischer Seite sehr aktiv. Ihr Wissen im Umgang mit der Spielsucht wäre sicher auch deutschen Partnern sehr willkommen. Wie sehen hier Ihre Bemühungen aus?

Häfeli: Die Schweiz konnte im spieltechnischen Bereich sehr viel vom deutschen Know-How profitieren. Im Bereich der Spielerschutzmassnahmen ist es vielleicht umgekehrt. Im Rahmen des Konzessionsverfahrens in Baden-Württemberg haben wir die Spielbank Stuttgart in diesem Bereich beraten. Offenbar spielte für die politischen Instanzen bei der Konzessionsvergabe an Stuttgart für Baden-Baden und Konstanz das weitreichende Präventionskonzept eine wichtige Rolle.
In Hamburg stehen wir in engem Kontakt mit der lokalen Suchtpräventionsstelle, welche wieder mit der Spielbank Hamburg zusammenarbeitet. Mit ihnen zusammen bieten wir anlässlich der Hamburger Suchttherapietage im Juni 03 ein Seminar über die Zusammenarbeit von Präventionsfachstellen und Spielbanken an.
Wir sind daran interessiert, unsere Dienstleistungen international anzubieten.

ISA-CASINOS: Sie haben sich in der Vergangenheit sehr viel mit dem Thema „Suchtprävention“ befasst. Welcher Wunsch wäre es, den Sie bei einer einmaligen Gelegenheit hier erfüllt bekommen würden?

Häfeli: Die drei Hauptakteure im Glücksspielbereich, der Staat, die Unternehmen und die Spieler sollten sich der sozialen Verantwortung mehr stellen. Beim Glücksspiel wünscht man sich den höchsten Gewinn, jeder aus seiner eigenen Interessenlage heraus. Was fehlt, ist eine übergeordnete Politik, welche einer gesellschaftspolitischen und damit sozialen Verantwortung mehr Rechnung trägt.

ISA-CASINOS bedankt sich für das Gespräch.