Spielbanken im Fürstentum: Eine radikale Initiative will die Kasinos aus dem Land verbannen

In Liechtenstein entscheidet demnächst das Volk über die Zukunft der umstrittenen Kasinos. Selbst die Initianten sagen, dass ein paar Kasinos für das Land verkraftbar wären. Aber sie sehen nur ein Totalverbot als Ausweg.

Günther Meier, Vaduz 4 min
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Eine von sechs Spielbanken im Fürstentum Liechtenstein: Das «Casino Admiral» in Triesen.

Eine von sechs Spielbanken im Fürstentum Liechtenstein: Das «Casino Admiral» in Triesen.

Arnd Wiegmann / Reuters

Schweizerinnen und Schweizer sind in Liechtenstein gerngesehene Gäste. Über die Hälfte der Touristen stammen jedes Jahr aus der Schweiz, und sie buchen jeweils beinahe zwei Drittel der Logiernächte. Mutmasslich machen Berge und Skipisten die Faszination des kleinen Nachbarlandes aus, vielleicht auch die Atmosphäre einer Monarchie.

Über noch mehr Anziehungskraft verfügen offensichtlich die Spielbanken. Der weit überwiegende Anteil der Autos, die vor den Liechtensteiner Kasinos parkieren, tragen ein Schweizer Kennzeichen. Gemäss den jüngsten Statistiken macht der Anteil der Spieler aus der Schweiz knapp zwei Drittel aller Spielbankenbesucher aus.

Dieser Zustrom könnte bald der Vergangenheit angehören. Am 29. Januar sind die Stimmberechtigten aufgerufen, über die Zukunft der Spielbanken zu entscheiden. Wenn es nach dem Willen einer Initiativgruppe geht, die sich «IG Volksmeinung» nennt, sollen die Spielbanken bald von der Bildfläche verschwinden.

Die Initianten beantragen einen Zusatz in der Verfassung mit der unmissverständlichen Forderung: «Der Betrieb von Spielbanken ist verboten.» Bestehenden Spielbanken soll eine Frist von fünf Jahren zugestanden werden, um den Betrieb einzustellen.

Geldspielgesetz nach dem Modell der Schweiz

Um die Gunst der Spielerinnen und Spieler buhlen derzeit sechs Spielbanken. Ein weiterer Betrieb ist seit geraumer Zeit eingerichtet, wartet aber noch auf die amtliche Bewilligung. Mit der Abänderung des Geldspielgesetzes 2016 hätten Regierung und Parlament die Kontrolle über die Spielbankenlandschaft aus der Hand gegeben, kritisiert die IG Volksmeinung.

Ursprünglich baute das Geldspielgesetz nach dem Modell der Schweiz auf der Vergabe einer Spielbankkonzession auf, wobei nur eine einzige Konzession vorgesehen war. Nachdem die Regierung diese eine Konzession vergeben hatte, entbrannte ein Rechtsstreit mit dem unterlegenen Antragsteller.

Die Regierung beendete das juristische Tauziehen mit dem Vorschlag, die Bewilligungen nach dem Gewerberecht zu vergeben: Antragsteller, die den im Konzessionsmodell enthaltenen Anforderungen genügen, können seither eine Spielbank eröffnen.

Den damals im Parlament geäusserten Bedenken, der Übergang zur Gewerbebewilligung könnte zur Eröffnung mehrerer Spielbanken führen, hielt die Regierung beruhigend entgegen: Der kleine liechtensteinische Markt werde dieses Problem von sich aus regeln.

Radikaler Einschnitt

Die sechs Spielbanken, die heute aktiv sind, sind für die IG Volksmeinung zu viele. Die Regierung schätze die Situation falsch ein und sei nicht bereit, die Fehler der Vergangenheit nachhaltig zu korrigieren, kritisiert sie. Vertreter der IG räumen zwar ein, zwei oder drei Spielbanken könnte Liechtenstein verkraften.

Der Spielbankenmarkt sei aber durch die Handels- und Gewerbefreiheit geschützt, sowohl nach liechtensteinischem Recht als auch nach den EWR-Grundfreiheiten. Damit bleibe zur Korrektur nur ein radikaler Einschnitt übrig: ein grundsätzliches Verbot auf Verfassungsstufe.

Regierung und Parlament haben im Herbst mit einem auf drei Jahre befristeten Zulassungsstopp für neue Spielbanken reagiert. Diese Regelung geht der IG Volksmeinung nicht weit genug. Im Unterschied zur Argumentation der Regierung, die Spielbanken hätten seit 2017 einen namhaften Beitrag von rund 117 Millionen Franken in die Kassen von Land und Gemeinden gespült, sind die Initianten der Meinung, der Staatshaushalt dürfe sich nicht auf die Geldspielerträge abstützen.

Den Wohlstand habe Liechtenstein ohne Spielbanken geschaffen, während Liechtenstein mit Spielbanken das Ansehen im Ausland aufs Spiel setze. Zu dieser Auffassung liegen keine Daten aus Umfragen vor, wie die IG Volksmeinung bestätigt, doch der «gesunde Menschenverstand» lasse aufgrund der hohen Spielbankendichte diese Meinung aufkommen.

Demgegenüber argumentiert der Casino-Verband Liechtenstein, die Reputation Liechtensteins habe durch die Spielbanken in keiner Weise gelitten, und verweist auf das jährliche Länder-Rating von Standard & Poor’s: Auch nach fünf Jahren Spielbetrieb sei Liechtenstein 2022 wiederum mit dem nur wenigen Staaten zuerkannten AAA-Rating ausgezeichnet worden.

Der Erbprinz ist gegen ein Verbot

Den Ausgang der Volksabstimmung sehen viele als völlig offen, obwohl sich schon zahlreiche Meinungsträger gegen das Spielbankenverbot ausgesprochen haben. Erbprinz Alois als geschäftsführendes Staatsoberhaupt erklärte zwar in einem Interview, kein Spielbankenfreund zu sein, er halte aber ein Verbot in der Verfassung für nicht den richtigen Weg, um den beanstandeten «Wildwuchs» der Spielbanken einzudämmen.

Das Parlament lehnte die Initiative mit grosser Mehrheit ab, weshalb das Volksbegehren automatisch der Volksabstimmung unterbreitet wurde. Regierung und Wirtschaftsverbände kritisieren ebenfalls die rigorose Verbotspolitik. Von den politischen Parteien lehnen die beiden Regierungsparteien VU und FBP die Vorlage ab, während die Grünen die Ja-Parole herausgegeben haben.

In den unterschiedlichen Stellungnahmen, vor allem aus der Wirtschaft, schimmert die Sorge durch, einen florierenden Wirtschaftszweig per Verfassungsänderung zur Aufgabe zu zwingen. Die Regierung gelangte bei der rechtlichen Überprüfung der Initiative zu der Auffassung, das Spielbankenverbot lasse sich mit den EWR-Richtlinien vereinbaren. Weil keine Harmonisierung von Glücksspielen vorliege, verfügten die EWR-Mitgliedstaaten über die Möglichkeit, eigene Ziele im Bereich der Glücksspiele festzulegen. Allerdings deutete die Regierung an, die Verfassungsinitiative enthalte möglicherweise eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil nur ein Verbot von Spielbanken anvisiert werde, nicht aber ein generelles Glücksspielverbot.

Doch über diesen Aspekt wird kaum diskutiert. Hingegen macht die Regierung darauf aufmerksam, dass die von Liechtenstein sonst betonte Rechtssicherheit leiden könnte, wenn ein Wirtschaftszweig schon fünf Jahre nach der Zulassung mit einem absoluten Verbot belegt werde. Auch die Wirtschaftskammer, die ihre Ablehnung mit dem Slogan «Nein zur Verbotskultur» bekräftigt, spricht die Rechtssicherheit für die Spielbankunternehmen an, die hohe Investitionen in die Gebäude und die Ausstattung getätigt hätten.

Bei Diskussionen in der Bevölkerung dominieren jedoch nicht diese Fragen, sondern die Einnahmen für die Staatskasse. Die IG Volksmeinung stellt in Abrede, dass Liechtenstein auf die Geldspielabgaben und Steuern der Spielbanken angewiesen sei. In den Leserbriefspalten wird dagegen immer wieder die Frage gestellt, ob Liechtenstein einfach grosszügig auf die nicht unerheblichen Einnahmen aus den Geldspielen verzichten wolle – auf Einnahmen, die grösstenteils von ausländischen Spielern generiert werden.

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