Vienna Spring Festival – Die hohe Kunst des siegreichen Showdowns

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Der Prolog zum zehntägigen Pokerfestival in Wien fand für mich nicht im Concord Card Casino, sondern im nur 10 Minuten entfernten Montesino Casino statt. Das dortige Management hatte zu einem High Stakes Cashgame eingeladen und die Tendenz dieser Partie sollte bezeichnend für den Verlauf der gesamten Spring Challenge sein. Mit Blinds von 25/50 und einer Ante von 10 ist es nicht unbedingt eine Nolimit Holdem Partie, die ich regelmäßig spiele. Also habe ich mich zunächst schön brav mit dem Minimum Buy in von 5.000 € an den Tisch gesetzt und zumindest anfänglich eher zurückhaltend agiert. Mit dabei waren unter anderem Tony G., der Shooting Star Johann Steindl, Erich Kollmann und Stefan Jedlika. Innerhalb der ersten 90 Minuten konnte ich mein Stack ohne einen Showdown auf etwa 6.700 € vergrößern, als es zu folgender Hand kam:

Im HiJack lächeln mich Pocket Asse an und ich openraise auf 200 €. Tony G. am Button und Johann Steindl im Small Blind callen. Der Flop kommt mit J [key:card_clubs] 7 [key:card_spades] 6 [key:card_clubs] noch relativ ungefährlich daher, aber Johann spielt direkt 440 € an. Ich will hier überhaupt nicht lange Theater machen und raise direkt auf 1.500 €. Tony foldet zügig und Johann kommt etwas ins Grübeln. Er fragt mich schließlich, wie viel ich noch vor mir habe. „Etwa 6.500 €“, antworte ich ihm und er geht sofort All in. Er covert mein Stack beliebig und jetzt ist es an mir, in den Think Tank zu gehen. Ein Set gebe ich ihm nicht, damit würde er wahrscheinlich erst auf dem Turn die Keule auspacken. 8 9 als Semibluff wäre noch eine Möglichkeit und darüber hinaus auch ein guter Spielzug. Es kommen noch die üblichen Alternativen wie slow gespielte Pocket Könige, A J, eventuell auch K J in Frage. Aber gegen alle genannten Hände bin ich weit vorne. Einzig und allein 6 7 wäre eine Kombination, die Sinn macht und mich schlagen würde, aber liegt diese Hand preflop tatsächlich ohne Position in seiner calling Range? Ich calle das All in und er dreht zu meiner Erleichterung A J um, eigentlich die Kartenkombi, die ich noch am Liebsten bei ihm sehe. Wie im High Stakes Format üblich, wird nach Showdown und All in gefragt, ob der Turn und River zur Verringerung der Varianz zweimal gedealt werden soll. Ich bin mit dem vorwiegend in Amerika praktizierten „Deal it twice“ nicht ganz so vertraut, also mache ich hier meinen ersten Fehler; da ich mich mit rund 91,5 % Prozent Gewinnchance recht weit vorne fühle, sage ich: „Nur einmal dealen!“ Zur Strafe erscheint auf dem Turn sofort ein weiterer Jack und ohne Hilfe am River wandern rund 13.700 € zu Johann. Was ich bei meiner voreiligen Entscheidung nicht berücksichtigt hatte: Wenn ich Turn und River zweimal dealen lasse, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, den gesamten Pot zu gewinnen, auf etwa 83 Prozent. Gleichzeitig reduziere ich aber die Wahrscheinlichkeit, den vollen Pot zu verlieren, auf lächerliche 4 Promille. Ein folgenschwerer Fehler, der sich so sicher nicht wiederholen wird.

Ähnlich makaber gestaltete sich auch der Verlauf der gesamten Spring Challenge für mich. Insbesondere auf den Main Event hatte ich mich tierisch gefreut. Mit 3.000 € Buy in sollte bei 140 Spielern doch ein ganz anständiger Preispool zusammen kommen, der dem Sieger stolze 117.000 € bescheren würde. Die Struktur ist mit einen starting Stack von 20.000, 90 Minuten Levels und ganz moderaten Steigerungen die beste in ganz Europa. Unendlich viel Raum, um gutes Poker spielen zu können. 2 ½ Tage tat ich das auch. Aber irgendwann kommt bei jedem noch so guten Turnier die Phase, in der in Abhängigkeit vom eigenen Chipcount das Preflop-Gedonke anfängt und man zumindest einen oder zwei Showdowns heil überstehen muss. Bei mir fing der Absturz in Raten in der zweiten Hälfte von Tag 3 an. Ausgestattet mit einem Stack von rund 100.000, der zwar leicht unter Average lag, aber mit rund 70 BB immer noch mehr als ausreichend ist, um solide pokern zu können, zahle ich mit ein paar spielbaren Händen ein Openraise nach, um den Flop sehen zu dürfen. Jedes Mal verfehle ich ihn komplett und gebe auf, da ich offensichtlich geschlagen bin. Im Anschluss verliere ich noch eine geturnte Straight mit open ended Straightflush Draw gegen ein gerivertes Fullhouse und bin zum ersten Mal short stacked. Die Chance zum Comeback bietet sich, als es zu einer typischen Battle of the Blinds kommt. Ein junger italienischer Heißsporn füllt im Small Blind auf, nachdem alle zu ihm gefoldet hatten. Ich sitze im Big Blind und finde A [key:card_diamonds] J [key:card_clubs]. Ich raise von 2.000 auf 8.000 und der Italiener fragt nach meinem Chipcount. „Noch 28.000 dahinter“, antworte ich. Er setzt mich schließlich All in, covert mich knapp. Ich weiß, dass er ziemlich angegrillt ist, da er eine Hand zuvor nach einem Raise von Stefan Jedlika am Button aus dem Big Blind gereraist hatte und nach dem All in von Stefan doch noch aufgeben musste. Also calle ich sein All in. Er dreht J 10 um. Bei meinem derzeitigen Lauf haben dominierende Hände allerdings bestenfalls Coinflip Qualitäten und so wundert es mich überhaupt nicht, dass sofort eine 10 am Board erscheint und ich meinen Hut nehmen muss. Ich scheide als 18. aus. Der Lohn für die 2 1/2 Tage Poker waren 0 €, denn Preisgeld gab es erst ab dem 15. Platz. In beeindruckender Kontinuität setzt sich damit die Serie der letzten Wochen fort. In Dortmund im Main Event bin ich als 87. von 667 ebenfalls in der Bubblephase raus, im 2.000er Side Event als 24. von 239 gab es in der ersten Preisgeldstufe immerhin etwas mehr als das Buy in zurück. Also hoffte ich, hier in Wien mal wieder einen anständigen Score hinlegen zu können. Aber solange die Showdown-Krankheit in ihrer Akutform anhält, wird auch der nächste Turniersieg noch etwas auf sich warten lassen.

Euer Michael von free-888.com