Lebensqualität

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Manchmal ist ein längere Pause der ideale Ansatzpunkt, um seinen eigenen Standort neu zu definieren und mit seinen tatsächlichen Wünschen und Hoffnungen in Einklang zu bringen. Kurz vor Weihnachten zeichnete sich ein solche Pause ab und mir wurde in den letzten Tagen des Jahres 2008 klar, dass wieder einmal die Zeit für ein paar Änderungen gekommen ist. Nichts Weltbewegendes, aber dennoch wichtige Dinge, die zu mehr Lebensqualität führen und sich so zwangsläufig auch in der Performance am Pokertisch auswirken. Die Umsetzung der guten Vorsätze in die Tat ließen dann auch nicht lange auf sich warten und so flog ich zum Jahresbeginn 2009 erstmal nach Kenia, um meinen Bauch ein paar Tage in der Tropensonne des indischen Ozeans zu bruzzeln und für drei Tage im Zelt in der Masai Mara quasi Tür an Tür mit Elefanten, Giraffen und Flusspferden die Energie des Urkontinents in mich aufzunehmen.

Direkt von Kenia aus ging es dann zur CAPT nach Seefeld und nur wenige Stunden später und etwa 45° C kälter durfte ich die gesunde Bergluft schnuppern. Die Turnierwoche in Seefeld ist wie auch im Sommer in Velden einer der Events, bei dem Lebensqualität von den Rahmenbedingungen her ganz groß geschrieben werden kann. Wunderbare Hotels, eine traumhafte Gastronomie, herrliche Skipisten und nicht zuletzt eine beispielgebende Turnierorganisation brachten auch dieses Mal einen beeindruckenden Zustrom an “Pokerreisenden”, so dass ein volles Haus angesagt war und Casinos Austria Seefeld ständig neue Rekordzahlen an Turnierteilnehmern verbuchen konnte. Ganze Horden von italienischen und slawischen Touristen an wirklich ausgesprochen “jucy” Potlimit Omaha Cashgame Tischen machten mir die wichtigste strategische Entscheidung nicht allzu schwer: Ich würde auf die gesamten kleinen Turniere verzichten und nur den 1.000 € NLH und den 2.000 € Main Event spielen. Ein einziger gewonnener guter Pot im PLO entsprach dann mitunter dem zweiten oder dritten Platz im Turnier.
In diesem Kontext war es viel schöner, den Nachmittag bei Kaiserwetter auf der Skipiste zu verbringen, zumal ich mir gerade ein Paar neue, komplett aus Carbonfaser bestehende Skier (Venom, kommen direkt aus der Audi R8 Werkstatt) zugelegt hatte, die einem das Gefühl geben, einen Ferrari den Hang hinunter zu bewegen. Der Suchtfaktor ist gewaltig!!!

Abends so zwischen 20 und 21 Uhr ging es dann in die Cashgame-Sitzung. Hier standen für mich die Partien mit Blinds von 10/10 bis 20/40 zur Auswahl, wobei ich meine Selektion nie von der Höhe der Blinds, sondern von dem zu erwartenden WBQ (Weichbirnenquotienten am Tisch) abhängig machte. Regelmäßig zwischen 01:30 und 02:30 Uhr beendete ich meine Tagessitzung, schließlich wollte ich ja am nächsten Tag fit für die Piste sein!

Bereits am Samstag vor Beginn des Main Events war klar, dass mein Wochenplan vollkommen aufgegangen war und ich die Turnierwoche in Seefeld unabhängig vom Ausgang und der Platzierung im Turnier als vollen Erfolg verbuchen konnte. Dementsprechend locker und entspannt trat ich an. Nach einem etwas zähen Beginn während der ersten Stunde kam ich dann relativ rasch zu Chips, weil gleich mehrere Gegner meinten, mich mit viel Druck und relativ wenig Showdown-Value aus den verschiedensten Händen herausbluffen zu wollen. Das führte einmal zu einem Double up und mehrmals zu anderen beachtlichen Potgewinnen, so dass ich nach 4 Stunden Spieldauer mit 48.000 Chips fast den dreifachen Average hielt. Leider wurde dann die ganze Angelegenheit erneut sehr zäh, weil ich einmal meine Pocket Asse gegen A [key:card_diamonds] 5 [key:card_diamonds] verlor. Ich war selber schuld, weil ich die Rockets preflop im Heads Up slow gespielt hatte und das Raise meines Gegners nur callte. Die Strafe folgte dann auf dem Fuß und ich verlor noch zwei Coinflips gegen einen short und einen medium Stack. Als von den 164 Startern noch 30 Spieler übrig waren, beendete die Turnierleitung Tag 1 nach 10 gespielten Leveln. Meine Chips waren auf 38.600 zusammen geschrumpft. Damit lag ich zwar etwas unter dem Average von 50.000, hatte aber bei Blinds von 1.200/2.400 immer noch genügend Munition, um ernst genommen zu werden.

Gleich in der dritten Hand an Tag 2 kam es dann zu einer folgenschweren Konfrontation. Ich muss hier eine Sache vorweg erklären: Wer mich länger kennt und wer meine Turnierergebnisse genauer betrachtet, weiß, dass ich ein Siegspieler bin und wenig Ambitionen verspüre, mich irgendwie in die Preisgeldränge zu retten. Wenn ich die Wahl bekäme, fünf mal den zweiten Platz zu machen oder einmal ein Turnier zu gewinnen, wähle ich den Sieg, auch wenn es finanziell die schlechtere Entscheidung ist. Unter diesen Gesichtspunkten ist auch die folgende Hand zu verstehen. Ich befand mich im Big Blind und alle foldeten zum Cutoff, der mit einem Standardraise auf 6.600 eröffnete. Es handelte sich um einen jungen Online-Spieler aus Kanada, der sich via Satellite für die CAPT qualifizierte. Tags zuvor hatte ich schon einige Stunden mit ihm am Tisch verbracht und glaubte, einen zuverlässigen Read auf ihn zu haben. Gleichzeitig hatte er stets eine Konfrontation mit mir vermieden. Sein Eröffnungsraise sah alles andere als selbstsicher aus und ich war mir eigentlich sicher, ihn mit einem entsprechenden Reraise zum Folden bewegen zu können. Die Karten waren in dieser Situation eher sekundär für mich, aber ich fand K [key:card_spades] 10 [key:card_clubs], also keine ganz so schlechte Hand. Ich rechnete kurz nach und entschied mich, direkt meine 38.000 Chips All in zu pushen. Sollte er folden, hätte ich mit über 50.000 Chips wieder den Average und für den (hoffentlich vermeidbaren) Fall des Calls würden mir bei Gewinn der Hand über 90.000 winken, was schon fast das Ticket zum Finaltisch gewesen wäre. Er überlegte eine gefühlte halbe Ewigkeit und callte schließlich. Er drehte zwei Neuner um und wir hatten wieder mal einen klassischen Coinflip. Im Board kamen dann ausschließlich kleine Karten, was mich doch relativ früh an diesem Sonntag auf die Autobahn Richtung Heimat brachte. Ich würde den Move jederzeit wieder machen und glaube, dass es sich langfristig um eine profitable Entscheidung handelt. Turnierchips sind wie Waffen und man muss schon ein ganzes Arsenal davon haben, wenn man sich nicht auf sein Kartenglück verlassen will.

Viele Chips in den kommenden Turnieren wünscht Euch

Euer Michael