Die Zukunft von Online Poker

Von Lisa Horn

Die Panikmache rund um Poker-Bots scheint berechtigt, oder doch nicht so wirklich? Wissenschaftler, Programmierer und Geschäftsführer von Online-Poker-Firmen sind sich uneinig – aber wie wird die Zukunft von Online Poker aussehen?

Immer mehr Poker-Bot-Programme gibt es als „open source“ zum freien Download im Internet. Das stellt für die Betreiber von Online-Poker-Portalen ein Problem dar, denn die Unterscheidung wer Computer und wer Mensch ist, wird – dem Anschein nach – immer schwieriger.

Die Diskussion darüber wie sicher Online-Poker wirklich ist und der großen Poker-Bot-Panik will nicht verstummen. Die Frage ist nur, was ist tatsächlich dran, was ist Tatsache und was stimmt nicht?

Es finden sich viele „Besserwisser“ im Netz – lauthals verkünden sie in Blogs und Foren wie gefährlich Bots sind, dass wir von Computerprogrammen umgeben sind, wenn wir Online Poker spielen. Kein Cent mehr sicher ist und Online Poker sowieso vor dem Aus steht. Wenn man da mal die Fakten betrachtet und sich die Meinungen namhafter Forscher und Computerexperten ansieht, das dann auch noch publik macht, dann wird man gern als „Trottel“ abgestempelt, der ja keine Ahnung hat von dem was er/sie da spricht. Kein Thema polarisiert wie dieses… Verteidiger, Ankläger, Besserwisser, Experten, selbst ernannte Experten und Phlegmaten die das alles überhaupt nicht interessiert. Sehen wir uns doch einmal die verschiedenen Meinungen zu diesem Thema an…

Apropos „polarisieren“, ein kurzer Ausflug in die Welt der künstlichen Intelligenz: im zweiten Durchlauf des „Mensch gegen Maschine Duells“ hat wieder „Polaris“ gewonnen, bzw. diesmal war es Polaris II, eine Weiterentwicklung des ersten Programms. In vier Runden konnte der Mensch nur eine Runde gewinnen, der Computer gewann klar nach Punkten. Die Wissenschaftler der Universität Alberta in Kanada tüfteln schon seit Jahren an Software, die künstliche Intelligenz simuliert. Das Pokerspiel eignet sich hervorragend dafür, denn anders als beim Schach, sind nicht alle Variablen bekannt. Wer weiß schon welches Blatt der Gegner in Händen hält. Mit diesem „Wissen“ muss Polaris arbeiten und Wahrscheinlichkeiten berechnen, bevor sich das Programm zu einem Move entscheidet. Das „intelligente“ daran ist die Lernfähigkeit.

Nach jeder Niederlage lernt das Programm dazu, implementiert dies in seine Algorithmen um besser zu werden. Die Strategien des Gegners werden durchschaut und in das Spielverhalten des Computers integriert um eine effizientere Kalkulation der Wahrscheinlichkeiten zu gewährleisten. Für den Menschen ist es ungewohnt, dass der Computer sein Spielverhalten so derart umstellen kann, da ist es schwer sich jedes Mal neu darauf einzustellen und dementsprechend zu reagieren. Abgesehen davon fehlt die psychische Komponente – kein Gesicht in das man sehen kann um eine psychologische Einschätzung geben zu können. Nun gut, das gilt auch für Online-Poker, womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären.

Vor nicht all zu langer Zeit war es noch ziemlich simpel Poker-Bots zu entlarven, die Programme waren plump programmiert, das „Spielverhalten“ (sofern man es damals so nennen konnte) war schnell zu durchschauen. Jetzt hat sich der Programmierungsdrang aber sichtlich überschlagen. Denn immer mehr Bot-Programme geistern durchs Internet. Dabei gibt es sogar schon open source Plattformen, auf denen jedermann selbst weiterbasteln kann. Schon ist die Panikwelle ausgelöst. Ian Fellows, Wissenschaftler an der Universität Kalifornien in San Diego spricht in einem Interview mit der „EE Times“ sogar vom „Ende von Online Poker“. Er selbst hat einen open source Bot entwickelt – „Fell Omen“ heißt sein Skript. Ein bezeichnender Name, denn „Fell Omen“ würde man mit „tödliches“ oder „grausames Omen“ übersetzen. „Fell Omen“ kann die Variante Texas Hold’em spielen und wurde ursprünglich für Übungszwecke programmiert. D.h. das Programm sollte Pokerspielern beim Verbessern ihrer Skills helfen. In Wirklichkeit ist durch den „open source“ Status das Programm re-programmierbar und somit als Poker-Bot einsetzbar. Der ursprüngliche Algorithmus basiert auf der Verwendung von lückenhafter Information. Alle Information, wie die Karten und das Verhalten des Gegners werden durch Annahmen in die mathematische Berechnung ersetzt. Im Verlauf des Spiels werden diese Annahmen immer mehr durch statistische Tatsachen und Berechnungen ersetzt bzw. ergänzt. Die Funktion ist also ähnlich wie bei Polaris, wobei Polaris hier wirklich die „High-End“ Variante darstellt.

Jetzt stellt sich natürlich die berechtigte Frage – zerstören solche Poker-Bots wirklich Online-Poker? Wird das Vertrauen der Spieler in die Anbieter zerstört? Wie gefährlich ist das Ganze wirklich?
Dr. Darse Billings er ist einer der Mitentwickler des Polaris Programms an der Universität Alberta in Kanada. Er meint, dass die Panikmache im Bezug auf Poker-Bots übertrieben ist. Die Programme würden in ihrer Funktion überschätzt. Betrachtet man das Polaris Programm – das hier als „High-End“ Version stellvertretend für alle kleinen „Brüder & Schwestern“ im Internet als Beispiel genommen werden darf – dann ist die erste Limitierung die Pokervariante. Derzeit ist Polaris nur im Limit Holdem Heads-up ein gefährlicher Gegner. Sobald es um mehrere Gegner gleichzeitig geht, wird die Fehlerquote (ergo die „Verwundbarkeit“) des Programms größer. Dazu meint Dr. Billings: „Die Bot Programme sind bei No Limit oder Mulit-Spieler-Tischen keine starken Gegner. Es wäre lächerlich den Erfolg von Polaris II mit einer Katastrophe für Online-Poker gleichzusetzen.“

Abgesehen davon denkt die Forschung an alles andere als ihre Errungenschaften im Internet auf Poker-Plattformen einzusetzen. Es geht um weit höhere Ziele. Man plant die Software im Baubereich einzusetzen – im Sensorennetz zur Gebäudesteuerung heißt es. Um zum Beispiel die Zusammenhänge zwischen Wärmefluss und Wirkungsgrad besser berechnen zu können. Im Prinzip geht es um alle Bereiche in unserem Leben, die eine breite Palette an unbekannten Variablen birgt, mit denen Berechnungen angestellt werden sollen.

Wie können nun Poker-Anbieter trotzdem auf unerwünschte Verwendung von Bot Software reagieren? Auch darauf hat Dr. Billings eine Antwort: „Es ist nicht schwierig ein Programm auf einer Plattform zu identifizieren. Wenn man z.B. das „Fritz Schach Programm“ verwendet um damit auf einem Online-Server zu spielen, dann finden das die Administratoren schnell heraus. Das gleich gilt für Online Poker. Das Programm wird entfernt, der Account geschlossen. Das liegt auch im Interesse der Anbieter.“ Vor 16 Jahren hat Dr. Billings mit der Forschung im Bereich künstlicher Intelligenz begonnen, ein Team von Experten hat also viele Jahre gebraucht um eine derart gute Simulation im Bereich Limit Hold’em Heads-up zu entwickeln. „Wir haben in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, aber ich kann ihnen versichern, es ist noch ein weiter Weg“.

Wie man es auch dreht und wendet – die Meinungen zu diesem Thema klaffen auseinander. Wachsam zu sein ist niemals schlecht, Panik zu machen ist aber auch nicht die Lösung. Die Zukunft von Online Poker scheint derzeit jedenfalls nicht gefährdet, dahinter steckt ein zu großer Wirtschaftszweig. Es ist wie mit Computerviren – Virus/Antivirus, Virus/Antivirus, Virus/Antivirus…so geht das hin und her. In Zukunft könnte es vielleicht heißen „bitte updaten sie ihre Anti-Bot Software neu“…