Christophe Groß: Vom Biergartenpoker zur Weltmeisterschaft

Es sah verdammt gut aus für Christophe Groß am dritten Tag des Main Events der World Series of Poker 2008. Kurz bevor es in Richtung Moneybubble ging, hatte der 26-Jährige in Level 14 mit einem Drilling Fünfen einen mittelgroßen Pot gewonnen und über 300.000 Chips vor sich aufgestapelt. Der Average lag zu diesem Zeitpunkt bei ca. 200.000 in Chips, allerbeste Voraussetzungen also, um nicht nur den Sprung ins Geld zu schaffen, sondern auch den vierten Tag zu erreichen.

Christophe Groß „Leider waren die 300.000 Chips mein absoluter Höchststand. Ab hier ging es in den Abgrund“, schrieb der sympathische Informatikstudent mit den Rastalocken in sein Onlinetagebuch. Über 100.000 Chips verlor der PokerStars-Supernova-Spieler mit einem gefloppten Set Dreien gegen einen geturnten Flush seines Gegners und als endlich Hand-für-Hand gespielt wurde, blieben ihm nur noch 90.000 Chips. Zu wenig, um an der Bubble die Initiative zu ergreifen und da auch die Karten nicht mitspielten, foldete sich Christophe schließlich ins Geld.

Im 15. und letzten Level folgte dann 15 Minuten vor Tagesende das Aus, als er nach einem Raise eines sehr aggressiven Spielers auf 11.000 und einem Call von Mike The Mouth Matusow („Er redet echt ununterbrochen!“), mit 65.000 Chips all-in pushte. „Das war genau der Spot, den ich gesucht hatte, denn besonders der Raiser hätte hier Any Two halten können.“ Doch Christophe hatte sich den falschen Spot ausgesucht, denn der erste Spieler instacallte und drehte im Showdown Pocketkings um, während Christophe [Queen of diamonds] [Four of hearts] zeigen musste. Spätestens nach einem König im Flop war auch der letzte Hoffnungsfunken verglommen – und der Main Event für Christophe beendet.

Wenn man, so wie hier, nur die letzten vier Stunden des Turnierverlaufs Revue passieren lässt, kann natürlich schnell der Eindruck entstehen, dass die Enttäuschung bei Christophe Groß riesig gewesen sein muss. Sicherlich war für ihn mehr drin als Rang 499 in der Endabrechnung. Wenn man aber die Vorgeschichte dieses Pokerverrückten kennt, dann wird schnell klar: Christophe gehört aus deutscher Sicht zu den absoluten Gewinnern beim Main Event!

Seit gut zwei Jahren ist Christophe vom Pokervirus befallen. Zunächst wurde im Biergarten gepokert, wo er während seines Studiums jobbte. „Irgendwann habe ich mir dann einen Pokertisch gebaut und es gab tägliche Homegames“, erinnert er sich. Im Dezember 2006 versuchte er es dann auch im Internet, doch innerhalb weniger Wochen hatten sich mehrere Einzahlungen quasi in Luft aufgelöst. „Der Hauptgrund dafür lag klar auf der Hand“, lacht Christophe, „denn von Bankroll-Management hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas gehört.“ Onlinepoker war vorläufig gestorben, mit Betonung auf vorläufig.

Wenige Monate später, im April 2007, meldete sich Christophe Groß bei PokerStars an, „da lief es zunächst zwar nicht wirklich besser, aber der Raum gefiel mir und ich nahm mir vor, das Ganze ernsthafter anzugehen.“ Christophe verschlang diverse Bücher, sah sich viele Videos an und tummelte sich in einschlägigen Internetforen. Und tatsächlich baute er sich zunächst mit SNGs und kleineren Erfolgen bei MTTs eine vierstellige Bankroll auf. Der Gewinn eines $ 11-Rebuy-Turniers bei PokerStars für $ 8.500 im Juli sorgte zudem für eine willkommene Finanzspritze und einen großen Cash-out. Doch dann kam der Aufstieg mächtig ins Stocken, „denn zum einen hab ich einen Monat lang nur noch MTTs gespielt, dann folgten zwei Monate mit einem heftigen Downswing und daraus resulitierte wiederum, dass mein Bankrollmanagement stark nachließ.“

Die entscheidende Richtungsänderung folgte erst im Dezember 2007, es war sozusagen ein guter Vorsatz für das neue Jahr. Christophe begann komplett von vorn, behielt $ 600 auf seinem Account bei PokerStars und pünktlich zum 1. Januar 2008 begann er auf NL25 Cashgame zu spielen, ausschließlich Cashgame. Christophe hatte sich konkrete Ziele gesetzt, beachtete BRM und gab im wahrsten Sinne des Wortes Vollgas. Acht bis zehn Stunden am Tag grindete er sich innerhalb von drei Monaten hoch auf NL100, hatte eine komfortable Bankroll aufgebaut und stieg zur Supernova auf.

Und auf einmal lagen auch längst aus den Augen verlorene Ziele wieder in Reichweite, zum Beispiel die Teilnahme an der WSOP 2008 in Las Vegas. Zwei Vorevents wollte er dort auf jeden Fall spielen, aber das große Ziel war natürlich der Main Event. Das Buy-in dafür wollte Christophe über seine Frequent Player Points (FPP) begleichen und so grindete er weiter an bis zu 24 Tischen gleichzeitig, und Mitte Juni hatte er es tatsächlich geschafft, die Punkte waren eingefahren. „Danach musste ich dann auch erst einmal ein paar Tage relaxen“, hatte sogar Christophe kurzzeitig die Nase voll vom Poker.

Ende Juni ging es dann von Frankfurt über Philadelphia nach „Sin City“. Drei aufregende Pokerwochen mitten in der Wüste von Nevada standen auf dem Programm, genau die richtige Abwechslung nach einem anstrengenden halben Jahr an den Cashgame-Tischen von PokerStars. Im Palms Hotel & Casino, das ganz im Zeichen von PokerStars stand, konnte Christophe seinen Supernova-Status so richtig auskosten. „Unsere Suiten für die Supernova-Spieler sind leider ausgebucht“, hieß es zunächst an der Rezeption, „aber Moment. Ich bringe sie in Zimmer 51101 unter. Ein Penthouse.“ Bingo! 140 Quadratmeter Wohnfläche, Whirlpool und eine sensationelle Aussicht auf den Strip – so lässt es sich leben in Vegas! (Siehe PokerToday-Sendung vom 5. Juli)

Dazu jede Menge Live-Cashgame und Turnierpoker, viele neue Kontakte zu deutschen Pokerspielern, Partys und der ein oder andere Besuch in der Luckbox-Villa, das allein schien die Investition von 725.000 FPP schon zu rechtfertigen. Aber der Höhepunkt stand ja noch bevor und nach einem insgesamt überzeugenden Auftritt bei der $ 10.000 World Championship Texas No-Limit Hold’em hatte sich der Trip auch finanziell ausgezahlt – Christophe kehrte um $ 25.090 reicher zurück nach Saarbrücken.

Bei PokerStars werden wir I The King I in Zukunft sicherlich an den NL200-Tischen wiederfinden, denn es gibt keinen Grund, sich jetzt zurückzulehnen. „Mein nächstes Ziel ist Supernova Elite zu werden und ich werde versuchen, mich für den ein oder anderen größeren Event zu qualifizieren“, schaut Christophe schon wieder nach vorn. Wir wünschen auf jeden Fall viel Spaß beim Multitablen und freuen uns auf eine Fortsetzung …