Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten. Folgt jetzt die Klagewelle?

Am 1. Januar 2008 ist in der Bundesrepublik Deutschland der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten und soll das staatliche Monopol für weitere vier Jahre sichern. Doch er ist schon jetzt zum Scheitern verurteilt und Experten geben ihm eine Lebensdauer von einem bis maximal zwei Jahren, je nachdem wie schnell die Gerichte arbeiten.

Für Wulf Hambach, Chef der Münchener Kanzlei Hambach & Hambach, ist die Sachlage eindeutig und er argumentiert in einem Interview in „Die Welt“: „Der Staatsvertrag verstößt gegen EU-Recht, da er ausländische Glücksspielfirmen mit EU-Lizenz vom deutschen Markt ausschließt.“ Hambach & Hambach vertritt rund 20 der größten internationalen Glücksspielanbieter und wird für seine Kunden Klage einreichen.

Mit einer richtigen Klagewelle rechnet Michael Winkelmüller: „Ich gehe davon aus, dass alle der rund 3.000 auf dem deutschen Markt tätigen Glücksspielfirmen rechtliche Schritte einleiten werden“, so der Experte der Bonner Kanzlei Redeker, die sich auf Glücksspielrecht spezialisiert hat. Auch die Europäische Union hat, nach vielen ignorierten Drohungen (siehe News), juristische Maßnahmen gegen Deutschland eingeleitet.

Manch einer wird sich nun fragen, warum die Bundesländer den Gesetzesentwurf, der wie ein Kamikaze-Projekt wirkt, ratifiziert haben. Die Antwort ist recht einfach. Geld. Viel Geld. Die Einnahmen durch staatlich betriebenes Glücksspiel belaufen sich zwischen geschätzten €3,2 bis €4,5 Milliarden und das jährlich. Dieser Finanzfluss soll natürlich nicht abreißen und somit ist jeder Monat, ja sogar jeder Tag mit dem Monopol für die Bundesländer wichtig.

Dass der Staatsvertrag überhaupt zustande kam, verdanken die Bundesländer dem Bundesverfassungsgericht. Zwar erklärte dieses im März 2006 den Entwurf für verfassungswidrig, räumte den Bundesländern jedoch ein Schlupfloch ein. Wenn die Einnahmen konsequent zur Spielsuchtbekämpfung eingesetzt würden, wäre der Vertrag rechtmäßig. Nun war Spielerschutz die Priorität und der Staatsvertrag wurde bis zum Sommer 2007 von allen Ministerpräsidenten unterzeichnet (siehe News).

Vor allem die privaten Sportwettenanbieter wurden in ein schlechtes Licht gerückt und die staatlichen Anbieter von Lotto und Sportwetten haben sich Suchtprävention auf die Banner geschrieben. Der Präsident des Verbands Europäischer Wettunternehmer, Markus Maul, äußerte sich dazu in einem Interview mit isa-casinos.de recht treffend: „Soweit unsere Kontrahenten den Dämon der Sucht heraufbeschwören, hat man zeitweise den Eindruck, dass es auch im Vatikan nicht heiliger zugehen kann als beim Lotto.“

Zumal die Argumentation der Suchtbekämpfung schon allein deshalb sehr fragwürdig ist, da über 80 % der Spielsüchtigen auf den Bereich der Geldspielautomaten fallen. Diese sind an vielen Ecken leicht zu finden, lediglich ein kleines Hinweisschild zur Spielsucht soll den Leuten helfen, nicht ihr sämtliches Hab und Gut zu verspielen. „Somit stellt der Staatsvertrag die Welt auf den Kopf. Die Spielhalle an der Ecke darf weiter öffnen, während Lotto und Toto, die nachweislich für nur fünf Prozent der Suchtfälle verantwortlich sind, stark reglementiert werden“, argumentiert Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim.

Auch sind die Schutzmaßnahmen einiger staatlicher Anbieter recht fragwürdig. So sollen zukünftig persönliche Spielerkarten für Glücksspiele, wie beispielsweise Keno oder Sportwetten bei Oddset, nötig sein. Eine Überwachung soll mögliche Suchtkandidaten herausfiltern und eine Sperrung ermöglichen. Doch Kritiker sehen darin ein großes Problem, da ähnliche Methoden schon in Kasinos wenig Erfolg zeigen.

Die großen privaten Anbieter werden die Sache aussitzen bis die Klagen Erfolg haben. Dennoch drohen ihnen auch Verluste und dies wirkt sich auf lokale Arbeitsplätze aus. Norman Faber, Chef des gleichnamigen Lotto-Anbieters, beschäftigt über 500 Mitarbeiter. Ob alle diese Krise überstehen werden, ist unklar. „Ich habe meine 515 Mitarbeiter fast alle persönlich eingestellt, da gibt man so schnell nicht auf. Die Auseinandersetzung verlagert sich jetzt auf die juristische Ebene. Das ist unangenehm, aber hier sind wir als Unternehmen insgesamt deutlich im Vorteil. […] Haarig wird es ausgerechnet für die vielen kleinen Mittelständler, die nicht so einen langen Atem haben […]“, so Faber in einem Interview.

Im Übrigen ist das Argument mit dem potentiellen Verlust von Arbeitsplätzen ein entscheidendes und hätte ausschlaggebend gegen den Vertrag sein sollen. Während die Glücksspielindistrie im schlimmsten Fall bis zu 35.000 Arbeitsplätze aufgeben müsste, gibt es noch die unzähligen kleinen Lotteriegeschäfte, denen Umsatzeinbußen bevorstehen. Im Zuge des Staatsvertrages sollen nämlich auch die Anzahl der Annahmestellen reduziert werden.

Des Weiteren gehen dem Staat auch viele Steuergelder verloren, da nun viele Kunden zu ausländischen Anbietern wechseln. Oddset ist beispielsweise für die Sportwetter wenig attraktiv, da lediglich rund 50 % der Einnahmen als Gewinn ausgeschüttet werden, somit wird der Großteil der Spieler ins Internet flüchten. Während sich zwar Werbung über Fernsehen, Radio und per Telefon leicht unterbinden lassen, so ist das Internet nicht wirklich kontrollierbar. Selbst wenn Provider angehalten würden, bestimmte Seiten zu blockieren, ließe sich diese Sperre leicht umgehen, denn „[…] selbst ungeübte Nutzer können mit wenigen Handgriffen ihren PC so einrichten, dass er sich über einen ausländischen Server auf der gewünschten Website einwählt“, so der Internetsicherheitsexperte des TÜV Rheinland, Rolf von Stein.

Eine weitere seltsame Regelung wird ab 1. Januar für Bwin gültig. Eine alte Lizenz aus Zeiten der DDR gewährt dem Sportwettenanbieter das Recht, in den neuen Bundesländern weiterhin sein Angebot per Internet zu vertreiben. Wettgeschäfte (auch online!) dürfen aber nur mit Menschen abgeschlossen werden, die sich auf ehemaligem DDR-Gebiet aufhalten und dies auch belegen können. Da ein Beweis, dass man sich in einem neuen Bundesland aufhält und vor allem, dass man sich von dort ins Internet einwählt, nur schwer erbracht bzw. leicht gefälscht werden kann, wirkt auch diese Sonderregelung mehr als absurd. Dazu Jörg Wacker, Geschäftsführer bei Bwin Deutschland: „Das Gericht beschränkt zwar den räumlichen Geltungsbereich der Genehmigung auf die neuen Bundesländer. Da der tatsächliche Aufenthaltsort eines Kunden aus technischen Gründen nicht festgestellt werden kann – dies haben bereits die Verwaltungsgerichtshöfe in Bayern und Hessen entschieden – wurde bwin e.K. aufgetragen, sich von den Wettkunden deren Aufenthalt in den neuen Bundesländern bestätigen zu lassen. Diese Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs ist nicht unproblematisch. Sie widerspricht dem Wortlaut und Geist des Einigungsvertrags und teilt Deutschland 17 Jahre nach der Wiedervereinigung wieder in Ost und West.“

Neben den Verlusten der Steuergelder seitens der privaten Anbieter wird es auch zweifellos Verluste bei den staatlichen Anbietern geben, was wiederum einen Rückgang der Fördergelder in den Bereichen Sport und Kultur bedeutet. Um diese zu kompensieren werden Finanzmittel aus anderen Steuertöpfen genommen, was jeden Steuerzahler betrifft – egal, ob dieser Lotto spielt oder nicht. Und um noch einmal auf das Thema Werbung zurückzukommen. Während die Pokeranbieter nun auf ihre vermeintliche „Schleichwerbung“ verzichten müssen und man die Logos nun nicht mehr bei den TV-Übertragungen sehen wird, könnte sich der Staatsvertrag auch für das staatliche Lotto wie ein Boomerang auswirken. Die traditionelle „Ziehung der Lottozahlen“ könnte als Werbung interpretiert werden und somit die Lottofee auf den Weg zum Arbeitsamt schicken.

Nun das ganze als Resümee: Auf der einen Seite haben wir den Verlust von Steuergeldern, drohende Strafen seitens der EU, die den Staat Millionen kosten könnten, diverse Rechtsstreits, die neben hohen Kosten vor allem die Zeit der Gerichte kosten, abertausende gefährdete Arbeitsplätze und hohe Verluste bei vielen mittelständischen Unternehmen. Auf der anderen Seite gibt es die kurzfristigen Milliardeneinnahmen durch die Monopolsicherung und einen Vertrag, der weder rechtmäßig noch wirklich umsetzbar ist.
Quelle: http://www.intellipoker.com/