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Das große Zocken in Berlin

Am Potsdamer Platz pokern Amateure und Profis um 500.000 Euro

Pokerturnier in der Spielbank Berlin. 2000 Teilnehmer hoffen auf einen Gewinn. Mit sechs Tischen fing es vor zehn Jahren an, jetzt sind es 42
Pokerturnier in der Spielbank Berlin. 2000 Teilnehmer hoffen auf einen Gewinn. Mit sechs Tischen fing es vor zehn Jahren an, jetzt sind es 42 Foto: Olaf Selchow

Bei einem Turnier in der Berliner Spielbank wurden 500.000 Euro Mindestgewinn versprochen. Was Halstücher und Masseure damit zu tun haben, warum man Chips nie in Geld umrechnen sollte und wieviel Glück und wieviel Können eine Rolle spielen – B.Z. war mit dabei.

An 30 Tischen klappern Plastik-Chips in einer gleichmäßigen, beruhigenden Kakophonie. Rund 250 Männer aus rund 30 Ländern sind an diesem ersten Turniertag am Freitag da und starren auf ihre jeweils zwei Pokerkarten, welche „Dealer“ genannte Kartenmischer ihnen auf die Tische blättern.

500.000 Euro Mindestgewinn versprochen

Jeder dieser Männer hat den Traum, rund 130.000 Euro zu gewinnen. Die Summe wird der allererste beim Finale am Montag einstreichen.

Am Finaltisch werden noch neun Spieler dabei sein. Die letzte Auslese. Da es mehrere Startrunden und mehrere Möglichkeiten gibt, sich wieder einzukaufen, könnte die Gesamtzahl der Spieler auf über 500 steigen.

Pokerturnier in der Spielbank Berlin, Potsdamer Platz. Im Erdgeschoss verspielen Pensionäre an Einarmigen Banditen ihre Renten, oben ist ein bisschen Las Vegas.

Die Organisation World Poker Tour (WPT), einer der drei größten Poker-Veranstalter weltweit, hat 500.000 Euro Mindestgewinn versprochen. Die besten 15 Prozent werden „ins Geld“ kommen, also mehr als die 1200 Euro herausbekommen, die man bezahlen muss, um mit 30.000 in Chips dabei zu sein.

Halstücher, Sonnenbrillen und Co. – Alles um den Bluff zu verstecken

Mit den zwei Karten, die sie in den Händen halten, hoffen Spieler, ein stärkeres Blatt als ihre Gegner zu bekommen. Wenn die Dealer nach und nach fünf weitere Karten auf die Tische legen, verändern sich Gewinn-Wahrscheinlichkeiten. In den Köpfen der Amateure, Halbprofis und Profis rattert es, während sie ihr Blatt mit den offen liegenden Karten addieren.

Da niemand weiß, welche Karten die acht anderen Spieler am jeweiligen Tisch in der Hand halten, kann man bluffen, ohne sein Blatt je zu zeigen – und so Gegner mit aggressivem Spiel rausdrängen. Mit einem schlechten Blatt, einer Kreuz 2 und einer Herz 7 etwa, kann man zwei Könige aus dem Rennen werfen.

„Deshalb tragen manche Spieler Halstücher, damit man nicht am Pulsieren ihrer Halsschlagader sieht, dass sie aufgeregt sind“, sagt der WTP-Turnier-Direktor Thomas Lamatsch (59).

Lamatsch findet, die zu erwartenden rund 130.000 Euro für den ersten Platz seinen zwar kein „Life-Changer“, aber ein „nettes Zubrot“. Tatsächlich gibt es weltweit auch Turniere, bei denen Gewinner Millionenbeträge einsacken können.

„Man sollte nicht die Spielchips in Geld umrechnen“

Das Turnier ist ein sogenannter „Deepstack“-Wettbewerb. Das bedeutet: Die „Blinds“, Chip-Beträge, welche Spieler reihum bei jeder Runde einsetzen müssen, sind gering. Dadurch kann man länger spielen und auf gute Karten warten, muss nicht seine Chips in hoffnungslosen Blättern verschießen, weil einen die Blinds „auffressen“. Denn wer keine Chips mehr hat, ist raus.

Auch wenn es hier nicht wie in der Arizona-Wüsten-Spielhölle Las Vegas Lichtershows, Getränke und üppige Buffets für die Spieler auf‘s Haus gibt, sondern Pizzas und Literflaschen Wasser für jeweils rund zehn Euro, gefällt es Björn Griese (53) aus Köln in Berlin besser. „Ich war einmal in Vegas, da sitzt man nicht an 30, sondern an 1300 Tischen bei so einem Turnier“, sagt er. Das sei ihm zu unpersönlich gewesen.

Björn Griese (53) aus Köln nennt sich einen „gewerblichen Pokerspieler“. Er besitzt ein Automaten-Casino bei Köln. „Ich bin nicht auf das Pokern angewiesen, aber es lohnt sich“, sagt er (Foto: Olaf Selchow // picture alliance)
Björn Griese (53) aus Köln nennt sich einen „gewerblichen Pokerspieler“. Er besitzt ein Automaten-Casino bei Köln. „Ich bin nicht auf das Pokern angewiesen, aber es lohnt sich“, sagt er (Foto: Olaf Selchow // picture alliance) Foto: Olaf Selchow // picture alliance

Griese spielt lieber erfolgreich in Europa, konnte schon insgesamt hohe sechsstellige Preisgelder einstreichen, hat als Pokerprofi ein Gewerbe angemeldet.

Was ist seine Spiel-Philosophie? „Man sollte nicht die Spielchips in Geld umrechnen. Man sollte nie mit einem Einsatz spielen, der wehtut, sonst ist man angespannt.“ In „der Bankroll bleiben“, nennen die Spieler das.

Spieler gegen Spieler – ein kannibalistisches Prinzip

Es läuft nicht bei allen so gut wie bei Griese, das liegt in der Natur der Sache. Schließlich kommt das Geld der Gewinner nicht wie beim Roulette oder Black Jack von der Spielbank sondern direkt von den Gegenspielern, ein kannibalistisches Prinzip.

Von spielsüchtigen Profi-Fußballern oder anderen solventen Hobby-Spielern wie dem ehemaligen Unternehmensberater Hans (60) aus Berlin etwa, der zugibt, insgesamt über die Jahre schon „bisschen im Minus“ zu sein. Er kommt trotzdem immer wieder, die Lust am Spiel, am Adrenalin, das im Blut pumpt, wenn exorbitante Summen in der Mitte liegen und alles an der letzten Karte hängt, die der Dealer legt.

Die Spielbank Berlin behält jeweils 100 Euro von den 1200 Euro, die Spieler in bar zahlen müssen, um eine spätere Gewinner-Auszahlung zu gewährleisten. Dazu wird von der Gesamtsumme drei Prozent abgezogen – unter Anderem als Lohn für die Kartenleger.

Pokerboom seit 2000 – auch in Berlin

Das Berliner Casino hat den weltweiten Pokerboom seit den 2000er-Jahren mitgemacht. Bernd Plättrich (58) arbeitet seit 38 Jahren für die Spielbank, bis 1998 im Europacenter, jetzt am Potsdamer Platz: „Wir fingen 2008 mit sechs Tischen an, jetzt sind wir bei 42.“

Am Freitag, an dem B.Z. vor Ort ist, wird ab 15 Uhr losgezockt, Schluss ist gegen 4 Uhr morgens. Da mit jedem weiteren Spieler das Bargeld im Spielbank-Tresor anwächst, laufen zwei Polizisten in Uniform Streife, ein Funkwagen vor der Tür. Dazu kommt Security-Legende Michael Kuhr (56) mit seinem Team.

Langes Sitzen geht auf den Rücken. Zur Entspannung gibt es daher Masseurinnen in der Spielbank (Foto: Olaf Selchow)
Langes Sitzen geht auf den Rücken. Zur Entspannung gibt es daher Masseurinnen in der Spielbank (Foto: Olaf Selchow) Foto: Olaf Selchow

Man will einen weiteren Pokerraub wie 2010 verhindern, als Mitglieder der arabischen Großfamilie Abou-Chaker brutal ein Turnier ganz in der Nähe im Luxushotel Grand Hyatt überfallen haben sollen.

Ladies Turnier am Sonntag

Frauen dürften zwar mitmachen, aber es kommt kaum eine. Offenbar wirkt der Gedanke, zehn Stunden am Stück mit wenig Pausen zwischen männlichen Zockern zu sitzen, für Spielerinnen abstoßend. Dafür gibt es ein extra Ladys-Turnier heute (Sonntag) ab 16 Uhr. 99 Euro Startprämie, 2500 Euro garantierter Gewinn.

Monika (30) aus Polen, die einen guten Freund beim Hauptturnier unterstützt, will da mitmachen. „Hier wäre es mir zu viel Stress, zu viele gute Spieler“, sagt sie. „Bei den Ladys habe ich mehr Chancen, auch wenn die unberechenbarer, verrückter spielen.“

Investment-Managerin Monika (30) aus Polen begleitet einen Freund zum Turnier: „Beim Lady-Turnier habe ich wahrscheinlich mehr Chancen. Auch wenn die Frauen verrückt spielen, weniger rationale Entscheidungen treffen.“ (Foto: Olaf Selchow // picture alliance)
Investment-Managerin Monika (30) aus Polen begleitet einen Freund zum Turnier: „Beim Lady-Turnier habe ich wahrscheinlich mehr Chancen. Auch wenn die Frauen verrückt spielen, weniger rationale Entscheidungen treffen.“ (Foto: Olaf Selchow // picture alliance) Foto: Olaf Selchow // picture alliance

Gregor Prizmiec (38) aus Holland ist seit zwei Jahren Vollzeit-Profi und zum ersten Mal in Berlin. Die Reise lohnt sich aufgrund der garantierten Gewinnsumme für ihn. Er passt seine Taktik unter anderem dem Alter der Gegner an. „Spieler über 40 Jahre spielen defensiver, ,tighter’“, sagt er. Sie würden in der Regel nur „all in“ gehen, alle ihre Chips in die Mitte schieben, wenn sie ein sehr gutes Blatt hätten.

Jüngere Spieler hingegen würden auch gerne mal mit einem schlechten Blatt ein Starkes vortäuschen. „An meinem Tisch liegt der Altersschnitt bei 35, ich werde also offensiver spielen“, sagt Prizmiec.

Poker-Profi Gregor Prizmiec (38) aus Holland hat bis jetzt bei Live-Turnieren rund 100.000 Euro gewonnen (Foto: Olaf Selchow // picture alliance)
Poker-Profi Gregor Prizmiec (38) aus Holland hat bis jetzt bei Live-Turnieren rund 100.000 Euro gewonnen (Foto: Olaf Selchow // picture alliance) Foto: Olaf Selchow // picture alliance

70 Prozent Können, 30 Prozent Glück

Wer aus dem Turnier fliegt, keine Chips mehr hat, kann sich mehrere Male wieder „einkaufen“, also nochmals 1200 Euro zahlen, oder ein Stockwerk höher bei sogenannten „Cashgames“ mitmachen. Hier ist jeder ab 100 Euro dabei und kann nach Belieben aussteigen, sich seine Chips wieder in Bargeld wechseln lassen.

Schreiner Philip (29) spielt „Cashgames“, da er die 1200 Euro nicht aufbringen wollte. Er ist mit einem Kumpel extra zum Poker-Urlaub aus Aachen nach Berlin gekommen und nun, an seinem vierten Spieltag, 600 Euro im Minus. „Ich spiele hier mit meinem Kumpel immer so bis 4 Uhr morgens, um 5 Uhr geht’s ins Bett. Dann stehen wir um 13 Uhr auf und spielen ab 15 Uhr weiter.“

Schreiner Philip (29) aus Aachen ist mit einem Kumpel für Poker-Ferien nach Berlin gekommen, hat schon 600 Euro verloren (Foto: Olaf Selchow // picture alliance)
Schreiner Philip (29) aus Aachen ist mit einem Kumpel für Poker-Ferien nach Berlin gekommen, hat schon 600 Euro verloren (Foto: Olaf Selchow // picture alliance) Foto: Olaf Selchow // picture alliance

Philip sieht Poker als ein Spiel an, das zu 70 Prozent aus Können und zu 30 Prozent aus Glück besteht. „Leute, die langjährige Erfahrung haben, ziehen Dir die Hose aus“, sagt er.

Am Sonntag ist die zweite Turnierrunde. Und Montag spielt gegen 15, 16 Uhr der Finaltisch in der Spielbank Berlin. Zuschauer sind willkommen.

Themen: Glücksspiel Poker
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