GLÜCKSSPIEL: Spielsucht: Innerschweizer Buchhalter verzockt Millionen – und kassiert womöglich eine Haftstrafe

Am 10. Juni hat das Stimmvolk die Möglichkeit, das Geldspielgesetz zu verschärfen. Für einen Innerschweizer Buchhalter käme dies allerdings zu spät. Er verzockte Millionen und muss womöglich ins Gefängnis.

Thomas Heer
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Am 10. Juni wird über das Geldspielgesetz abgestimmt. (Symbolbild Keystone)

Am 10. Juni wird über das Geldspielgesetz abgestimmt. (Symbolbild Keystone)

Thomas Heer

thomas.heer@luzernerzeitung.ch

Es gibt immer wieder Menschen, die Erstaunliches auf die Reihe kriegen. Ein Leben führen, das bei Aussenstehenden ungläubiges Kopfschütteln auslöst, und die Frage aufwirft, wie kommt ­jemand mit einer solchen Geschichte über die Runden? Und um einen solch aussergewöhnlichen Mann, der ein Leben am Abgrund, eine Existenz zwischen Bangen und Hoffen führt, handelt diese Geschichte.

Es sind erst wenige Monate verstrichen, seitdem sich der Familienvater vor einem Gericht in der Zentralschweiz verantworten musste. Ihm wurde zur Last gelegt, in der Zeit zwischen 2007 und 2015 seinen früheren Arbeitgeber um mehr als acht Millionen Franken betrogen zu haben. Der mutmassliche Kriminelle – damals im Finanzwesen tätig – stellte fiktive Rechnungen und liess sich das Geld auf sein privates Bankkonto überweisen. Insgesamt kam es so zu 202 illegalen Geldtransfers. Diese, sich selber zugeschanzten flüssigen Mittel brauchte der Beschuldigte, um seine Spielsucht zu finanzieren. Der Mann zockte via Handy online, und führte regelmässig pro Tag Hunderte von Spielbewegungen aus. Wenn die Tageslimite von 48'000 Franken erreicht war, wechselte er mitunter auf andere Plattformen, wo Gewinnmöglichkeiten von bis zu 100'000 Franken winkten.

Wenn sich dann mal ein grösserer Reibach einstellte, leistete er sich ein teures Auto oder buchte Ferien mit seiner Familie. Ein Auto deutscher Bauart im gehobenen Preissegment, zugelassen auf den Namen einer Verwandten, benutzt der Mann noch heute. Während des Gerichtstermins attestierte der Staatsanwalt dem Beschuldigten eine hohe kriminelle Energie, und er will gemäss einem Medienbericht aus jener Zeit beim Zocker narzisstische Wesenszüge ausgemacht haben. Der Staatsanwalt beantragte in der Folge für den Beschuldigten wegen gewerbsmässigen Betrugs und mehrfacher Urkundenfälschung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Ein Urteil ist bislang noch keines gefällt.

Interessant an diesem Fall ist, wie sich der Zocker nach seiner Entlassung beruflich weiterentwickelte. Der Mann hat nämlich wieder eine Stelle gefunden, und zwar bei einer Aktiengesellschaft, wo er, im Handelsregister eingetragen, eine Kaderstelle bekleidet. Und zwar nicht etwa im Bereich Marketing, sondern als Vorsteher des Rechnungswesens. Auf die Frage, ob der Arbeitgeber von seiner Vergangenheit Kenntnis habe, sagt der Mann: «Nein, die wissen nichts davon.» Und weiter lässt er durchblicken, dass er derzeit medizinisch betreut und therapiert wird.

Kommt es zu einem strengeren Gesetz?

Der Mann muss in hohem Grad über Nervenstärke verfügen. Denn zum einen kann seine Vergangenheit jederzeit auffliegen. Zum anderen wird er die Betrügereien gegenüber seinen neuen Chefs spätestens dann nicht mehr verheimlichen können, wenn er die geforderte Freiheitsstrafe antreten muss.

Beim Fall dieses Finanzers handelt es sich um ein krasses Beispiel von in Sucht ausufernder Zockerei. Die Eidgenössische Spielbankenkommission geht davon aus, dass es schweizweit 76'000 Personen gibt, die ein problematisches oder krankhaftes Spielverhalten aufweisen. Am 10. Juni stimmen die Schweizer darüber ab, ob das Geldspiel­gesetz dahingehend verschärft werden soll, dass mittels Netzsperren ein Zugriff auf nichtkonzessionierte Online-Kasinos verunmöglicht wird.

Spielsüchtig könne jeder oder jede werden, sagt Nadia Rimann, Co-Projekt-Leiterin beim interkantonalen Programm SOS-Spielsucht. Männer seien aber, so Rimann, stärker gefährdet als Frauen. Isolierte, schlecht inte­grierte und wenig gebildete Menschen würden, verglichen mit dem Rest der Bevölkerung, im Durchschnitt eher zur Spielsucht neigen, führt Rimann weiter aus.

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