GLÜCKSSPIEL: Dem grössten Casino Europas am Luganersee droht Insolvenz

Der Spielbank in der italienischen Enklave am Luganersee droht der Konkurs und damit die Schliessung. Nun verordnet der Gemeindepräsident einen rigiden Sparkurs.

Gerhard Lob, Campione D’italia
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Das Casino in Campione d’Italia von Mario Botta. (Bild: Pablo Gianinazzi/Key (Campione d’Italia, 15. Januar 2018))

Das Casino in Campione d’Italia von Mario Botta. (Bild: Pablo Gianinazzi/Key (Campione d’Italia, 15. Januar 2018))

Gerhard Lob, Campione d’Italia

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Die Staatsanwaltschaft von Como hat ein Konkurs­verfahren der Spielbank von Campione d’Italia beantragt. Begründung: Insolvenz. Schon seit Monaten war klar, dass es sowohl um die gemeindeeigene Spielbank, als auch um die Gemeindefinanzen in der italienischen ­Enklave am Luganersee katastrophal bestellt ist. Doch ein Konkurs und möglicherweise die Schliessung des Casinò Municipale, der grössten Spielbank Europas? Das war bisher unvorstellbar.

Überrascht von diesem Antrag wurde auch Roberto Salmoiraghi (68), Präsident der 2000-Seelen-Gemeinde. Er habe davon am Freitagabend um 21 Uhr erfahren, hielt er gestern in einer eilig einberufenen Bürgerversammlung fest. Mehrere hundert Einwohner und Angestellte waren über Mittag in den Festsaal im 9. Stock der gigantischen, von Mario Botta erbauten Spielbank geströmt, um den wenig fest­lichen Ausführungen des Sindaco zu lauschen.

500 Angestellte waren pro Jahr 8000 Arbeitstage krank

Das Hauptproblem ist die Verschuldung gegenüber der Hausbank Banca Popolare di Sondrio. Nach Jahren positiver Abschlüsse gab es 2012 bei der Spielbank erstmals ein Defizit von 8 Mil­lionen Franken, das sich mittlerweile auf mehr als 39 Millionen Franken erhöht hat. Grund für die desaströse Finanzlage ist die Währungsentwicklung zwischen Euro und Franken in Verbindung mit der Sonderstellung des Ortes. Denn das Casino macht seinen Gewinn in Euro und überwies stets einen festen Betrag an die Gemeinde, die ihre Bilanzen in Franken ausweist.

Doch zuletzt blieben die Überweisungen ganz aus. Löhne der Gemeindeangestellten konnten nicht mehr bezahlt werden. Ein Gemeindeangestellter hatte sich an die Staatsanwaltschaft gewandt. Um das Konkursverfahren abzuwenden, bleibt laut Salmoiraghi nur ein Weg: Ein rigides Sparprogramm. «Blut und Tränen», verordnete er gestern in einem dramatischen Appell. «Wenn es keine Einigung gibt, müssen wir den Laden schliessen». Die Löhne müssten um 20 Prozent linear gekürzt werden. Zudem müsse die Anzahl der Gemeindeangestellten verringert werden. «100 Gemeindeangestellte sind einfach zu viel», sagte Salmoiraghi unter Applaus. Es war der einzige Beifall während seiner halbstündigen Rede. Angesprochen wurde auch ein gewisser Schlendrian bei den 500 Angestellten der Spielbank, etwa die 8000 Arbeitstage, die wegen Krankmeldungen im 2017 aus­fielen. Offenbar gab es Spielbankmitarbeiter, die an Weihnachten Dienst leisteten, um die Feiertagszulage zu kassieren, einen Tag später aber krankgeschrieben waren.

Dabei läuft das Geschäft mit dem Glücksspiel eigentlich recht gut. Umso unverständlicher reagiert man bei den Einwohnern auf die jüngste Entwicklung. «Wir sind wohl die einzige Spielbank auf der Welt, der mit einem Bruttospielertrag von 92 Millionen Franken ein Konkurs droht», sagte eine ältere Frau im Pelzmantel nach dem Meeting. An­dere meinten, das Desaster habe sich angebahnt. Man hätte viel früher intervenieren müssen.

Sicher ist: Solange das drohende Konkursverfahren nicht abgewendet ist, wird das umstrittene Projekt eines allein auf eine chinesische Klientel ausgerichteten Spielbank-Ablegers nicht angepackt. Das Vorhaben hatte in jüngster Zeit für erhebliche Spannungen gesorgt. Gewerkschaften waren Sturm gelaufen. Die gemeindeeigene Villa Mimosa soll umgebaut werden, damit auf 300 Quadratmetern sozusagen eine fernöstliche Spielbankenklave eingerichtet werden kann: Chine­sische Spiele, chinesisches Personal, chinesische Kunden.