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Eldorado für Glücksjäger

Die Stadt Las Vegas: Spielerparadies für die einen, Sündenpfuhl für die anderen.

Rich steht draussen im Schatten vor dem Rio All-Suite Hotel and Casino in Las Vegas, er raucht und tigert nervös hin und her. Es ist Ende Juni und um die Mittagszeit rund 45 Grad, an der World Series of Poker (WSOP) ist gerade Pause. Rich heisst nicht Rich, er will seinen Namen nicht nennen, lebt in New Jersey, hat sich 6 Wochen freigenommen, um an möglichst vielen WSOP-Turnieren teilzunehmen.

Der beleibte Mittdreissiger hat dafür in den letzten Jahren immerhin 30'000 Dollar gespart, die Hälfte ist bereits verspielt, gewonnen hat er noch nichts. Und 10'000 Dollar Antrittsgebühr muss er sich aufsparen für das Hauptturnier im Juli. Rich geht dann sozusagen all-in.

Pokern ist fairer

Las Vegas ist das Eldorado für Glücksjäger. Es gibt allerhand Spielmöglichkeiten in den vielen prunkvollen Casinos, in denen man statistisch den Betreibern stets unterlegen ist. Aber, hey, es ist Vegas, Baby, man gönnt sich ja sonst im Leben nicht viel. Also wird fleissig gezockt, am Roulettetisch, an den Automaten, in all den anderen Spielformen, es gibt für jedes Budget unzählige Vergnügungsmöglichkeiten.

Pokern ist fairer. Beim Pokern spielen die Menschen gegeneinander. An Turnieren beispielsweise streichen die Casinos von jedem Teilnehmer eine Abgabe ein, der ganz grosse Rest der Einsätze wird unter den Spielern ausgespielt. Pokern ist ein Geschicklichkeitsspiel mit einem Glücksfaktor, der deutlich kleiner ist als bei anderen Formaten.

231 Millionen Dollar Preisgeld

Und an der WSOP treffen sich die besten Kartenkünstler, Bluffer, Pokermathematiker der Welt. Fast zwei Monaten dauerte der Anlass in diesem Jahr, an 74 Turnieren der unterschiedlichen Pokervarianten nahmen 2017 über 120'000 Spieler aus 111 Ländern teil. Rund 5 Prozent davon waren Frauen, die Anmeldegebühr pro Event betrug zwischen 1500 und 111'111 (!) Dollar, Amerikaner wie Rich stellen den Hauptteil. Und viele Zocker versuchen, über billigere Satellites einen Startplatz zu erspielen.

Im Grunde genommen sind die WSOP der grösste Sportanlass der Welt – zumindest gemessen am Preisgeld. Unfassbare 231 Millionen Dollar wurden dieses Jahr an der 48. Austragung ins­gesamt ausgeschüttet, allein am Hauptturnier zum Schluss mit über 7000 Teilnehmern waren es 67 Millionen! Seit den WSOP-Anfängen ab 1970 im alten, mittlerweile leicht heruntergekommenen Zentrum von Las Vegas, das übrigens wegen seines rauen Charmes stets einen Abstecher wert ist, wurden über 2,5 Milliarden Dollar ausbezahlt.

Seit Jahren werden die Turniere am TV übertragen, viele mittlerweile sogar live, der weltgrösste Sportsender ESPN erreicht ordentliche Einschaltquoten damit. Es spielen sich ja auch gewaltige Dramen an den Tischen ab, wenn ein Spieler unglücklich ausscheidet, weil der Gegner beispielsweise dringend einen König benötigt – und der König mit der letzten Karte aufgedeckt wird. Weg ist der Traum vom Millionengewinn für den einen, lebendig wieder die Hoffnung für den anderen.

Las Vegas ist das grandios gestylte Disneyland für Erwach­sene mit den besten Hotels, Restaurants, Clubs, Etablissements, Shopping-Malls und Shows der USA. Im Unterhaltungsparadies in der Wüste Nevadas gibt es auch fantastische Golfplätze und prächtige Wasserparks in den Casinos. Und weil der Amerikaner faul sein kann, locken die grossartigen Hoteltempel mit relativ preiswerten Übernachtungsangeboten – viele verlassen das angeschlossene Casino während des Aufenthalts gar nicht, das Spielgeld der Besucher bleibt im Haus.

Kiffen ist seit Juli legal

Dennoch ist der magische Strip, an dem die meisten Attraktionen wie nachgebaute Weltstädte stehen, immer übervoll. Und seit Juli kommen sogar die Kiffer legal auf ihre Kosten, der Verkauf von Marihuana ist erlaubt worden. Mit einem kleinen Rausch lassen sich all die Eindrücke möglicherweise einfacher verarbeiten. Das schreckliche Attentat auf ein Musikfestival vor wenigen Wochen mit 59 Toten hat aber gezeigt, wie anfällig Las Vegas auf Terrorattacken und Amokläufe ist.

Das Rio All-Suite Hotel and Casino liegt nicht am Strip. Es ist ohnehin etwas in die Jahre gekommen – und firmiert im Sommer als Pokermekka. Wie es Rich aus New Jersey an der WSOP 2017 noch ergangen ist, wissen wir nicht. Am Finaltisch des Hauptturniers, an dem die besten neun Spieler je mindestens eine Million Dollar Preisgeld garantiert hatten, sass er jedenfalls nicht. Doch die Hoffnung stirbt auch bei Rich zuletzt.

Moneymaker als Boomstarter

Denn Rich könnte Scott Blum­stein sein. Der 25-jährige Blum­stein hatte zuvor auch keinen Cent gewonnen an der WSOP. Für den Hauptsieg in diesem Jahr erhielt er über 8 Millionen Dollar. Er ist ein Nachfolger der Legenden Johnny Moss, Stu Ungar und Johnny Chan. Diese gewannen an der WSOP vor Jahrzehnten nicht dermassen viel Geld.

Reich werden in der Unterhaltungs-Welthauptstadt: Der 25-jährige Scott Blumstein gewann an der World Series of Poker 2017 in Las Vegas das Hauptturnier – und mehr als 8 Millionen Dollar Preisgeld. Bild: Keystone

Erst mit dem weltweiten Aufschwung des Onlinepokers, wo gleichfalls Milliarden umgesetzt werden, stiegen die Preissummen auch in Las Vegas in gigantische Dimensionen. 2003 hiess der Sieger sin­nigerweise Chris Moneymaker (Geldmacher), er verdiente 2,5 Millionen Dollar. Dieses Turnier gilt als Beginn des gigantischen Pokerbooms für die breite Masse.

Auch Scott Blumstein ist nun mehrfacher Millionär. Er lebt in New Jersey.