Banden kontrollieren illegale Glücksspiele

Aktualisiert

Zunahme von FällenBanden kontrollieren illegale Glücksspiele

Das Geschäft mit illegalem Glücksspiel boomt. Sorgen bereiten den Behörden nicht nur die stetig steigenden Fallzahlen, sondern auch die Komplexität der Strafverfahren.

Simon Ulrich
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Simon Ulrich

Auf Ersuchen der Aargauer Justizbehörden hat die Polizei in Vorarlberg vor einigen Tagen zwei Männer im Alter von 31 und 32 Jahren festgenommen. Der Grund: Die beiden gehören einer Gruppe türkischstämmiger Personen an, die in Restaurants im Raum Aarburg illegale Wettspiele veranstaltete und die Schulden notfalls mit Waffengewalt eintrieb. Das Bezirksgericht Zofingen verurteilte diesen Sommer vier Mitglieder wegen versuchter Erpressung zu Freiheitsstrafen von rund dreieinhalb Jahren.

Der illegale Glücksspielmarkt in der Schweiz boomt. Schätzungen der Branche gehen von einem Bruttospielertragsvolumen von 250 Millionen Franken pro Jahr aus. Zum Vergleich: Die 21 konzessionierten Schweizer Spielbanken haben im letzten Jahr 689 Millionen Franken Umsatz erwirtschaftet.

100'000 Franken Umsatz pro Monat realistisch

Dass sich die Problematik in den letzten Jahren deutlich verschärft hat, zeigen die Zahlen der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK). 2016 eröffnete sie insgesamt 162 neue Strafverfahren wegen illegaler Glücksspielangebote. 2014 waren es deren 123, 2010 gerade mal 61. «Für das laufende Jahr erwarten wir einen erneuten Anstieg», sagt ESBK-Sprecherin Maria Chiara Saraceni.

Als einen der Hauptgründe für den wachsenden illegalen Geldspielmarkt nennt Saraceni den technologischen Fortschritt. «Auf den Internet-Terminals und Automaten können heute Dutzende verschiedenartiger Glücksspiele angeboten werden», sagt sie. «Verfügt ein Anbieter über mehrere Spielautomaten in verschiedenen Lokalen, ist ein Umsatz von 100'000 Franken durchaus realistisch», so Saraceni.

Spuren sind heute leichter zu beseitigen

Die heutigen Tischautomaten seien zudem kleiner und günstiger als frühere Geräte. «Nach der Beschlagnahmung durch die Polizei werden sie deshalb auch schneller ersetzt», weiss Saraceni. Das zeigt ein Vorfall aus dem Kanton Zug im August: In einer Bar fand die Kantonspolizei mehrere Wettcomputer und Spielterminals, nachdem der türkische Betreiber bereits 2016 aufgeflogen war.

Der technologische Wandel und die damit verbundene beschleunigte Ausbreitung des illegalen Glücksspiels haben nicht nur die Zahl, sondern auch die Komplexität der Strafverfahren erhöht. «Die Delikte werden oft an mehreren Orten und von einer Vielzahl von Delinquenten begangen, die derselben Organisation angehören», sagt Saraceni. Zudem könnten mit den serverbasierten Systemen die Spuren schnell verwischt werden. «Wird der Stecker gezogen, sind die Internetdaten weg.»

Vom Einzeltäter zum Verbrechersyndikat

Die Hälfte aller Strafverfahren der letzten fünf Jahre wurde in den Kantonen Zürich (38 Prozent) und Solothurn (12 Prozent) eröffnet. Innerhalb der letzten 24 Monate hat die Kantonspolizei Solothurn auf ihrem Gebiet rund 80 Kontrollen im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel und illegalem Wetten durchgeführt. Neben Glückspiel- und Wettautomaten sowie Bargeld würden vereinzelt «auch Waffen oder andere illegale Gegenstände» sichergestellt, sagt Kapo-Sprecherin Astrid Bucher.

In den Lokalen, in denen illegales Glückspiel betrieben wird, würden vermehrt Landsleute aus osteuropäischen Ländern angetroffen, so Bucher weiter. Auch die ESBK hält im Jahresbericht 2016 fest, dass es sich bei zwei Drittel der Täter um Ausländer handle. ESBK-Sprecherin Saraceni fügt an: «Es hat eine Entwicklung von Einzeltätern hin zu organisierten Banden stattgefunden.»

Revidiertes Geldspielgesetz voraussichtlich 2019

Zu schaffen macht das illegale Glücksspielgeschäft nicht nur den Justizbehörden, sondern auch den legalen Casinos in der Schweiz, denen sie ihre Marktanteile streitig machen. Für Marc Friedrich, Geschäftsführer des Schweizer Casino-Verbands, liegt die Wurzel des Übels im Verbot von Online-Casinos. «Weil es in der Schweiz kein legales Angebot gibt, die Nachfrage aber besteht, wird sie bei illegalen Anbietern befriedigt», sagt er.

Das soll sich mit dem neuen Geldspielgesetz, das voraussichtlich 2019 in Kraft treten wird, ändern: Es sieht vor, Online-Spiele von konzessionierten und beaufsichtigten Anbietern zuzulassen und illegale Angebote zu sperren. «Durch ein attraktives Angebot von legalen inländischen Anbietern von Online-Casinospielen sollten die Marktanteile der illegalen Anbieter rasch abnehmen», heisst es in einer Stellungnahme des Bundesrates.

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Wer den Kredit nicht zurückzahlt, wird unter Druck gesetzt

Als besonders tückisch für die Teilnehmer illegaler Glücksspiele erweisen sich die fehlenden Spielerschutzmassnahmen und dabei insbesondere die Kredite, die von den Anbietern gewährt werden. So werde das ohnehin bestehende Risiko der Verschuldung «durch Kredite, die zum Teil mit Wucherzinsen belastet sind, erhöht», wie Glücksspielsucht-Expertin Suzanne Lischer in einer aktuellen Studie schreibt. Weiter heisst es: «Werden die Kredite nicht zurückbezahlt, werden die Spieler unter Druck gesetzt oder es kommt gar zu Gewaltanwendung.»

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