Es ist ein sehr verwirrender Ort. Das ehemalige Parlament Leal Senado ist blau-weiß gekachelt, die Auslagen locken mit den Blätterteigtörtchen Pastéis de Nata, dazu wird die Espressovariation Bica serviert und über allem thront die Festung Fortaleza do Monte aus dem 17. Jahrhundert. Auf den Treppen vor den Ruinen der Kathedrale São Paulo herrscht erhöhtes Selfiestickaufkommen. Chinesische Touristen drängen sich, um ein Foto vor der 1835 bis auf die Fassade abgebrannten Kirche zu erhaschen. Typisch, wenn Asiaten in Europa Urlaub machen – nur dass unsere Geschichte in China spielt.

Und im Gegensatz zu vielen abendländischen Sehenswürdigkeiten, die im Reich der Mitte geklont werden, sind diese hier echt. Deshalb steht die Altstadt unter dem Schutz des Weltkulturerbes der Unesco. „Das haben die Portugiesen in die Wege geleitet, bevor sie die Macau 1999 an China zurückgegeben haben“, erzählt Tourguide Mario, der vor mehr als drei Jahrzehnten in die Kolonie ausgewandert ist.

1847 haben die Portugiesen der rund 50 Kilometer westlich von Hongkong gelegenen Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China ihr Auskommen gesichert: Sie legalisierten das Glücksspiel. Die 33 Casinos machen fast zehn Mal so viel Umsatz wie die Spielbanken in Las Vegas.

„Zwischen den Inseln Taipa und Coloane wird künstlich aufgeschüttet. Dort wollen wir den Strip nachbauen“, sagt Mario und zeigt auf die bunten Leuchtreklamen der Casinos vor dem schwarzen Nachthimmel, bei deren Anblick man sich für einen Moment in der Wüstenstadt in Nevada wähnt.

In einer eigenen Liga spielt das Casino Venetian – in jeder Hinsicht. Es ist die größte Spielbank der Welt und mit seinen 980.000 m2 zwei Drittel größer als das „Original“ in Las Vegas.

Vor dem 39-stöckigen Koloss steht der Campanile vom Markusplatz – einen Steinwurf entfernt vom Eiffelturm, der zum benachbarten Casino Parisian gehört. 800 Spieltische und 3400 Automaten später betritt man eine Kopie der Lagunenstadt unter ewig dämmrigem Himmel. Gondoliere mit Strohhut und gestreiftem Leiberl rudern durch die künstlichen Kanäle und schmettern „O sole mio“, Darsteller aus Mantel-und-Degen-Filmen liefern sich in den nachgebauten Gassen Duelle, gleich kommt Casanova um die Ecke.

„Waren Sie schon im echten Venedig? Sieht es dort genauso aus?“, fragt eine freundliche Hotelhostess. „Nein, hier ist es viel zu sauber“, entgegnen wir. Ratlos blickt sie uns nach.