Neues Turnierformat in der Spielbank am Potsdamer Platz

Ein Artikel von Rainer Gottlieb

Erfreuliche Modifikationen hat die Spielbank Berlin für das diesjährige Poker-Sommerturnier angekündigt: diesmal sind maximal zwei Nachkäufe möglich und zwar erst nach erfolglosem All-in-Spiel. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines add-ons, allerdings nur, wenn die rebuys noch nicht verbraucht sind.

In früheren Turnieren (z.B. im letzten Februar: Bericht vom ersten und vom zweiten Turniertag) konnten zu jedem Zeitpunkt des ersten Turniertages unbegrenzte rebuys getätigt werden, zum Schluss des ersten Tages war noch ein add-on in beliebiger Höhe (je nach Geldbeutel) möglich. Die damalige Praxis schaffte zwar enorme Preispools, bevorzugte aber die Spieler mit den „dicken Brieftaschen“ und hatte zu Kritik von einigen Pokergästen geführt.

„Es ist ja nicht so, dass wir nicht auf die Wünsche unserer Gäste eingehen wollen“, versicherte mir dazu vor kurzem Herr Merten, der stellvertretende Technische Direktor der Spielbank.

Zusätzlich wurde anstelle von Pot-Limit Hold’em das No Limit-Format gewählt, auch das auf vielfachen Wunsch der Pokergäste.

Der Berliner Sonderpreis – € 15.000 für einen Royal Flush in Pik – ist seit Jahren nicht geknackt worden. Bisher hätte ein Spieler beide holecards nutzen müssen, um das Traumblatt zu erreichen. Neu in diesem Turnier: Schon eine holecard genügt, wenn sich mit dem board ein Royal Flush in Pik ergibt.

Der High Hand Preis für die beste Hand des Turniers in Höhe von € 1.000 wird wie üblich aus den buy-ins finanziert.

„Ausgezeichnet“, denke ich beim Studium der Turnierunterlagen. Das Investitionskapital ist kalkulierbar, es werden maximal € 840,– sein (buy-in € 400, zwei rebuys à € 200, Entry fee € 40). Für die Eintrittsgebühr von € 40,– wird den Spielern an beiden Tagen ein Buffet in der bekannt hervorragenden Qualität geboten.

Ich habe also genügend Gründe zur Vorfreude auf ein spannendes Turnier:

Freitag, 23. Juni 2006

Obwohl das Turnier mit 50 Anmeldungen ausgebucht ist, sind zum Start um 20:00 Uhr nur 32 Spieler vor Ort. Ist der Grund die Sommerhitze oder die Fußball-WM? Nun, zumindest einige Teilnehmer von der Warteliste freuen sich, dass Sie nun doch teilnehmen können.

20:10 Uhr. Das Turnier beginnt mit blinds 20/40. Die Spieler sind auf vier Tische zu je acht Personen verteilt. An „meinem“ Tisch sitze ich zu Beginn direkt hinter dem Button. In der ersten Runde bekomme ich keine spielbaren Karten und werfe Hand um Hand weg. Auf dem Button das erste halbwegs erträgliche Blatt: A 2 von Kreuz. Ein Spieler vor mir hat gesetzt, ich raise. Er geht mit. Am Ende verliere ich die Partie gegen drei Vierer (zwei davon im board). Und schon sind 1000 Chips perdu.

Im zweiten Level (40/80) mein nächstes Engagement. In später Position erhalte ich zwei Zehner. Raise um 600. Zwei caller. Der Flop bringt K, Q, X. Beide Gegner checken vor mir, ich entscheide mich all-in zu gehen. Entweder ist das erste rebuy fällig, oder ich bekomme ein paar chips. Ein Gegner callt und zeigt – Autsch! – As und König. Schon nestele ich am Geldbeutel. Doch die Pokergötter sind mir hold. Die Riverkarte ist eine meiner beiden outs, eine Zehn. Stack verdoppelt durch bad beat für den Gegner.

Etwas später erhalte ich mehrfach pocket pairs:

J,J: Ich raise um 500, ein Gegner geht all in. Nach einer halben Minute Nachdenken folde ich.

5,5 im small blind. Fold, nach einem hohen raise

Mittlerweile ist deutlich, dass die Teilnehmer sich auf den neuen Modus eingestellt haben. Beim Februar-Turnier waren waghalsige Manöver gang und gäbe. Nicht so heute: da keine ungegrenzten Nachkäufe möglich sind, wird vorsichtiger gespielt. Allerdings spielt deswegen niemand furchtsam. Es gibt trotzdem spektakuläre Partien: Schon im ersten level ist ein Teilnehmer mit Pocket Jacks all-in gegangen und hat verloren. Frustriert verzichtete er auf die Möglichkeit zum Nachkaufen. Etwas später im dritten Level (60/120) eine weitere Konfrontation von zwei Spielern. Der Flop von Q X Q lässt beide all-in gehen. Die Spieler decken auf: AQ und Q8s. Turn blank, River 8. “Rebuy!“, schallt es mit frustriertem Unterton.

Drittes level: mit der üblichen Vorsicht schaue ich in meine neuen holecards an und – wie schön – zwei Könige lächeln mich an. Endlich einmal ein Premium-Blatt. Ich raise auf 1.200. Ein Spieler callt. Der Flop bringt nur undercards mit J als höchster Karte. Ich setze meine restlichen 3.500 Chips, der Gegner callt mit QJ. Keine Hilfe für ihn im Turn oder River. Mein Chipstack steigt auf 9.500.

Im level 4 und nach der opulenten Buffetpause folgt eine längere Durststrecke für mich. Kein spielbares Blatt in Sicht, blindsteals vom Button misslingen trotz meines tighten Tableimages. Also, runterschalten und abwarten.

Im vorletzten level des ersten Tages dann endlich Pocket Rockets direkt vor dem Button. Ich raise auf 2.000, ein Spieler geht mit. Der Flop bringt K, 10, X. Der Gegner checkt, ich setze 4.000. Er geht all-in mit K, J. Der Turn ist ein blank, der River bringt sogar noch ein As. Jetzt habe ich 21.000 chips.

Das war mein letzter Gewinn für den ersten Tag. Im letzten level des Tages verliere ich 5.500 Chips mit AJ gegen zwei Achter. Danach nutze ich die add-on Möglichkeit und erhalte weitere 3.000 chips. Mit 19.100 chips wird es morgen weiter gehen. Die high hand des heutigen Tages sind vier Achter. Wird sie bestehen?

Samstag 24. Juni 2006

Herr Fess, der Saalchef hatte gestern angekündigt, dass im Fall von Elfmeterschießen im Match Deutschland – Schweden der Turnierbeginn auf 20:00 Uhr verschoben würde. Ansonsten würde das Pokerspiel aber wie geplant um Punkt 19:00 Uhr beginnen. Alle Spieler seien angehalten, die besondere Berliner Verkehrssituation bei der WM zu bedenken. Bei einem deutschen Sieg wäre mit massiven Verkehrsbehinderungen durch Autokorsi zu rechnen.

Nun, mittlerweile ist das Ergebnis des Fußballmatches hinlänglich bekannt. Alle verbliebenen 17 Spieler sind pünktlich am Start und das Turnier wird nach Neuauslosung der Plätze um 19:00 Uhr fortgesetzt.
Direkt im ersten level des zweiten Tages (blinds 800/1.600) erlebe ich nach einem erfolgreichen Blindsteal meine nächste spektakuläre Auseinandersetzung: Ich erhalte erneut KK. Vor mir raist jemand auf 6.000. Ich gehe mit meinen restlichen 15.700 all-in. Mein Gegner callt. Wir decken auf, er hat pocket 6. Im Flop lauter blanks. Sehr beruhigend, doch die Turnkarte ist eine weitere 6. Welche Enttäuschung! Gedanklich verabschiede ich mich vom Turnier. Doch das Wunder kommt mit dem River. Einer der zwei letzten Könige fällt. Ich verdopple meine Chips auf über 30.000.

Bei blinds 3000/6000 sind noch neun Spieler übrig. Nur einer muss eliminiert werden, dann wird der Finaltisch zusammengestellt. Das geht sehr schnell, nahezu zeitgleich muss an beiden Tischen jemand gehen. Nach kurzer Verwirrung ist auch die Situation geklärt, wer von ihnen die Nummer acht ist, der immerhin noch € 800 aus dem Preispool bekommt.

Um 21:20 Uhr sitzen wir mit sieben Spielern am Finaltisch. Ich habe 37.000 chips. Bei blinds von 3000/6000 werden sie nicht sehr lange halten. Ich will bei der nächsten Gelegenheit eine starke Erhöhung setzen oder all-in gehen. Die Gelegenheit folgt nahezu auf dem Fuß: zeitgleich mit einer aufmunternden SMS eines guten Freundes erhalte ich AK von Pik. Keine Frage, ohne zu zögern gehe ich all-in. Ein Spieler nach mir callt mit A6 von Kreuz. Mit ihm hatte ich kurz vorher die KK – 66 Auseinandersetzung aus der ich siegreich hervor ging. Er hat mehr chips als ich. Als im Flop drei blanks fallen und auch der turn niemandem hilft, freue ich mich schon auf ca. 70.000 chips. Doch diesmal sind die Pokergötter mit meinem Gegner. Die Riverkarte ist eine 6.

Ein gutes Turnier ist für mich mit Platz sechs zu Ende gegangen. Die high hand vom Vortag wurde nicht geschlagen, den Royal Flush in Pik hat niemand bekommen.

Fazit und Rückblick: Die Modifikation des Turnierablaufs mit begrenzten Rebuys und No Limit-Struktur ist begrüßenswert. Großes Lob an Herrn Fess und sein Dealer- und Serviceteam.

Zwei Vorkommnisse gibt es zu kritisieren:

Am zweiten Tag wurde am Nebentisch mehrfach sehr emotionell über Turnierbedingungen, Spielerverhaltensweisen und die Zusammensetzung des Finaltisches diskutiert, offenbar in der Hoffnung, Änderungen herbeiführen zu können. Diese Diskussionen führen zu nichts und sollten einfach nicht stattfinden. Spieler sollten das Turnierreglement akzeptieren oder von vorn herein nicht teilnehmen. Hier gebührt der Turnierleitung ein großes Lob für ihre konsequente Haltung.

Die Spielweise eines (vielleicht?) unerfahrenen Teilnehmers am Finaltisch wurde von einem bereits ausgeschiedenen Spieler deutlich und für alle hörbar kritisiert. Ein sehr zweifelhaftes und unsportliches Verhalten. Der kritisierte Spieler reagierte allerdings sehr souverän, indem er schlicht sagte: „Was Sie da gerade gesagt haben, ist nicht nett!“ dann kümmerte er sich wieder um sein Spiel. Er erreichte einen respektablen vierten Platz.