Erlebnisse beim Pot-Limit Hold’em Turnier in der Spielbank am Potsdamer Platz

Ein Artikel von Rainer Gottlieb

Teil 2 – Poker Bericht von Rainer Gottlieb aus Berlin

Samstag 18.02.2006

Heute soll das Turnier um 19:00 Uhr fortgesetzt werden. Ich bin um 18:30 Uhr dort, um den Saalchef auf das „gewöhnungsbedürftige“ Format des Turniers ansprechen. Er schwärmt zunächst einmal von dem enormen Preispool in Höhe von EUR 40.700. Auf meine Frage, wie er es zulassen könne, dass während des Turniers in beliebigen Portionen nachgekauft werden durfte und im Anschluss während der „add-on-Phase“ erneut, entwickelt sich sinngemäß folgende Diskussion:

Das werde in vielen Poker-Turnieren in Berlin so gemacht und dadurch können so große Preisgelder generiert werden.

Ich entgegne, dann müsse das aber auch in der Einladung explizit und deutlich so formuliert werden.

Der Saalchef moniert, er müsse sich seit gestern ständige Kritik anhören. Dem einen seien die Zeitintervalle zu kurz, der andere möchte lieber No Limit spielen, ich beschwere mich über die unbegrenzten rebuys. Es sei halt schwer, es jedem recht zu machen. Aber es werde kein entry-fee erhoben und es gäbe ein Spitzenbuffet für Spieler. Das halte jeder wohl für selbstverständlich.

Ich bestätige ihm, seine Organisation sei einwandfrei, das gestrige Buffet war vorzüglich. Darüber müssten wir nicht diskutieren. Aber wenn ich – nachdem ich das Startgeld bezahlt habe – erkennen müsse, dass ich mit meinen budgetierten rebuys nahezu keine Chance haben werde, dann müsse doch wohl Kritik erlaubt sein. Ich hätte hier in der Spielbank im Vorfeld mehrfach nach Turniereinzelheiten gefragt, aber niemand war in der Lage, kompe-tent Auskunft zum Turniermodus zu geben. Mit diesem Format werde die Idee und das Prinzip von Turnierpoker ausgehebelt. Was hier gestern als Turnier verkauft wurde, war cashgame. Das eigentliche Turnier beginne heute. Und die Spieler begännen mit enorm unterschiedlichen Startchips.
Bei zukünftigen Turnieren müssen eindeutig deutlich präzisere Informationen verschickt werden. Die verantwortlichen sollten einfach mal daran denken, dass hier in Berlin ein Riesenpotenzial an neuen und jungen Pokerspielern existiere. Den Kundenkreis könne man aber nicht mit einem solchen Turnierformat aktivieren.

Wir konnten die Diskussion dann nicht fortführen. Es muss der Fairness halber anerkannt werden, dass der Saalchef sich noch um eine Menge organisatorischer Details zu kümmern hatte und nicht endlos mit mir diskutieren konnte.

Im Pokerbereich ist alles vorbereitet.

Die Chips liegen gut verschlossen in Plastiktüten vor den Sitzplätzen der Spieler. Jede Tüte ist mit Namen, Tisch- und Platznummer und Chipmenge beschriftet. Die Mengen reichen von ca. 8.000 über 20.000 und 30.000 bis zu 58.000. Sind diese Riesenunterschiede das Resultat schlechten bzw. souveränen Spiels oder wurde zum add-on einfach der eine oder andere Tausender gezückt? Ich erspare mir die Spekulation. Meine Tüte auf Platz 1 am Tisch 4 trägt die Zahl 12.700.

Das Spiel beginnt.

Leider wurde gestern vergessen, die Position des Dealerbuttons zu registrieren. Sofort entbrennt eine kontroverse Diskussion. Der Saalchef entscheidet, der Button wird neu ausgelost. Zunächst will der Dealer nur das Pik-Paket aus dem noch sortierten Deck nehmen. Er wird leicht humorig daran erinnert, dass er alle Karten für den Losprozess nutzen muss. Leichte Verzögerung, erneutes Mischen, dann erhält jeder eine Karte. Ich bekomme die Kreuzdame, die dann tatsächlich höchste Karte bleibt. Button zu mir!

Die blinds betragen 800/1600 und werden in der ersten Stunde alle 20 Minuten erhöht. Das ist akzeptabel, immerhin möchte die Spielbank das Turnier so zu Ende bringen, dass parallel und anschließend noch cashgames möglich sind. Ein absolut verständliches Motiv. Für das Turnier wurden keine Entrittsgebühren erhoben, dazu gab und gibt es ein ausgezeichnetes Buffet. Für die Spielbank entstehen also zunächst einmal nur Kosten für Personal und Bewirtung. Das diese durch anschließende Tax-Generierung kompensiert werden sollen, ist absolut verständlich.

Ich bekomme nur Müllblätter und folde Hand um Hand. Auch als ich erstmals die blinds bringen muss, wird vor mir erhöht und ich muss weiter aussteigen. Zwischendurch engagiere ich mich mit draws, muss aber nach massiven Erhöhungen folden, da unmittelbare Eliminierung drohte. So geht es endlos weiter. Natürlich ist diese defensive, passive Haltung keine erfolgreiche Turnierstrategie und als die 1.000/2.000 auf mich zu kommen, gehe ich mit 10 3 offsuit all in mit meinen letzten 4.000 Einheiten. Ein purer Akt der Verzweiflung. Ein Spieler callt mit J 9 (?). Der flop bringt blank J, 10. In Gedanken verabschiede ich mich schon vom Tisch. Die Turnkarte ist ein weiterer blank, auf dem River eine miracle-3. Uff! Temporär reanimiert könnte man sagen, doch in den nächsten zwei Spielen gehen 3.000 Einheiten für blinds weg, ohne dass ich spielen kann.

Ein limit später (blinds 2.000/4.000) droht erneut Eliminierung. Drei Positionen vor dem But-ton bekomme ich pocket 3. Kein überwältigendes Blatt, trotzdem muss ich all in gehen. Drei Spieler callen. Der flop bringt 2, 4, 5. Open-ended straight draw. Es entwickelt sich ein side-pot. Die Turnkarte ist ein As. Uff, straight komplett, hoffentlich muss ich den Hauptpot nicht teilen. Flushgefahr besteht nicht, nun bitte keine 3 auf dem river oder ein Paar im board. Fortuna, die launische Göttin erhört offenbar mein Stoßgebet, die Riverkarte hilft niemandem. Ich bin mit ca. 20.000 Chips zumindest vorübergehend handlungsfähig.

Mittlerweile sind hinreichend Spieler aus dem Turnier eliminiert, die Tische werden zusammen gelegt. An meinem „neuen“ Tisch sehe ich mich wahren Türmen an Tausendern, Fünftausendern und Zehntausender-Plaques gegenüber. Hier herrscht auch ein deutlich anderes Spiel. Aggression ist die Devise (so wie es im Turnier auch sein soll).

Ich gewinne mehrere kleine Pötte durch position-raise, etwas später kann ich meinen stack auf etwas über 40.000 verdoppeln (A 9 gewinnt gegen A 6). Wir sind mittlerweile noch etwa 15 Spieler, acht kommen ins Geld. Die blinds sind bei 5.000/10.000.
Natürlich zehren derart hohe blinds an meinem chipstack und früher oder später ist wieder die Entscheidung fällig: Eine Position vor dem big blind bekomme ich A 10 von Karo: Mehr kann ich kaum erhoffen, also all in mit meinen restlichen ca. 30.000. Es wird gefoldet bis zum small blind, der eine Weile überlegt und dann mitgeht. Der big blind steigt aus. Wir decken auf, er hat A J. Sein Blatt hält durch. Für mich ist das Turnier zu Ende.

Zwei Anekdoten zum Schluss:

1. Es bestätigt sich erneut die alte Redensart: „All you need is a chip and a chair“. Der Gewinner des Turniers musste bei blinds von 4000/8000 mit seinem Rest von 1.200 all-in gehen. Er gewinnt und arbeitet sich wieder hoch. Als ich nach meinem Ausscheiden nach einer halben Stunde am Finaltisch vorbeischaue, hat er einen Turm von 10.000er Plaques vor sich und ist mit etwa 150.000 Einheiten deutlicher Chipleader.

2. Der Zweitplatzierte ist ein Spieler aus meiner alten Heimat Niedersachsen. Wir stammen sozusagen aus Nachbardörfern. Auch beim Poker ist die Welt klein…

Fazit: Es war ein ausverkauftes Turnier mit sehr guter Organisation, ausgesprochen freundlichem Service und einem erstklassigen Buffet. Verbesserungspotenzial existiert beim Turniermodus…

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