Erlebnisse beim Pot-Limit Hold’em Turnier in der Spielbank am Potsdamer Platz

Ein Artikel von Rainer Gottlieb

Teil 1 – Poker Bericht von Rainer Gottlieb aus Berlin

(rg) – Vor einigen Wochen erhielt ich Post von der Spielbank am Potsdamer Platz. Der technische Direktor der Spielbank lud mich zu einem Texas Hold’em Turnier nach dem „Freeze-Out System“ ein. Ich hatte ihn vor über einem Jahr angeschrieben und Modifikationen für das Pokerspiel in der Spielbank angeregt. Dadurch bin ich offenbar in die Adresskartei gelangt.

Erster Eindruck: In der Einladung wird mit keinem Wort auf die zu erwartende Variante eingegangen. Limit, Pot-Limit, No Limit???

Bei Nachfragen in der Spielbank während meiner jüngsten Besuche konnte mir niemand (!) darauf eine Antwort geben. Zwar wurde meine Handynummer notiert und man versprach, mich zurück zu rufen. Das ist aber nicht geschehen. Ich erfuhr dann irgendwie durch Mund-propaganda, dass Pot-Limit gespielt werden würde.

Das Turnier wird über zwei Tage für jeweils drei Stunden laufen. Für ein buy-in von EUR 400 bekommt man 4000 Turnierchips, die blinds starten mit 20/40, die Spielzeiten pro Level dau-ern 20 Minuten, wenn der Sprung zum nächsten Level zu abrupt wird (z.B. von 60/120 auf 100/200) wird 30 Minuten gespielt. Während des ersten Tages sind unbegrenzte rebuys möglich, für EUR 100 bekommt man 2000 neue Turnierchips. Es wird kein entry-fee erhoben.
Abgesehen davon, dass die Begriffe „rebuy“ und „freeze out“ sich gegenseitig ausschließen (dieses Missverständnis geistert seit einem Jahrzehnt durch die Köpfe deutscher Casinomanager), erschien mir die Struktur halbwegs akzeptabel. Ich würde maximal EUR 800 investieren, und 100er-Rebuys bis zum 4. Level (Blinds 100/200) akzeptieren.

Freitag 17.02.2006

Um 19:00 Uhr bin ich in der Spielbank. Das Turnier ist erwartungsgemäß ausverkauft. An den vier Tischen werden je elf Spieler sitzen, das entspricht bereits einem Preisgeld durch buy-ins von EUR 17.600. Einer der American Roulette Tische neben dem Pokerbereich ist mit weißen Tischtüchern abgedeckt, Bestecke und Teller liegen bereit. Offenbar wird es noch ein Buffet geben.

Die Organisation scheint gut zu sein, die Platzverlosung und die Ausgabe der Turnierchips ist gut vorbereitet, es kommt zu keinen Warteschlangen. Hier wurden schon einige Turniere durchgeführt, daher ist organisatorisches Know-How vorhanden.

Das Spiel beginnt um 20:15 Uhr leicht verspätet. Vorher ist der Saalchef zu allen Tischen gekommen und hat die Gäste darauf aufmerksam gemacht, dass man zu jeder Zeit rebuys tätigen kann, ohne all-in sein zu müssen. Diese Information ist neu. In der an Fakten armen Einladung war davon jedenfalls nichts zu lesen. Daher bereite ich mich auf ein wildes und super-looses Spiel vor.

Und genau so kommt es: Schon während der allerersten Partie ist von zwei Nachbartischen mehrfach der Ruf „rebuy!“ zu hören. Auch an meinem Tisch entwickelt sich ein sehr loose-aggressives Spiel. Da wird mit Dreier-flush-draws bis zum River gecallt, inside straight-draws werden gespielt und manchmal materialisieren sich auch diese hochspekulativen Blätter, mit dem Ergebnis, dass ein paar Spieler Riesenpötte gewinnen und deren Gegner absolut frust-riert auf den Tisch starren und mit der üblichen bad-beat-Lamentiererei beginnen: „wie konntest Du mit einem miesen (flushdraw, straightdraw…) meine potsize-bet callen?“

Ich spiele supertight. Folde fast jede Hand und calle nur aus entsprechender Position. Sicherlich nicht die richtige Spielweise für dies „ram-and jam-Turnier“, aber immerhin erarbeite ich mir damit ein solides Tableimage. Dadurch gelingen mir zwei totale Bluffs und mein Chipstapel wächst ein wenig. Dann kommt an meinem Tisch das erste rebuy und ich bin ziemlich irritiert: Der Spieler kauft nicht für EUR 100 nach, sondern für EUR 200. Das wird problemlos akzeptiert, wiederspricht aber eindeutig den Ausschreibungsunterlagen des Turniers, denn dort war von unbegrenzten rebuys für EUR 100 die Rede. Doch es sollte noch stärker kommen…

Das Turnier entwickelt sich weiter. Ich steigere meinen stack durch meine solide Spielweise in kleinen aber substanziellen Schritten. Aus ursprünglich 4000 werden sechstausend, etwas später dann 9.000 und 13.000 Chips. Das ist aber nichts gegen die Mengen der super-loosen Spieler. Allerdings sind deren Chipgebirge einer besonderen Erosion unterworfen. Sie wachsen und schrumpfen ständig. Wenn der Schrumpfprozess allerdings zu stark wird, konsolidiert man sich eben durch ein massives rebuy.

Eine interessante Partie entwickelt sich zwischen mir und einem zweifachen Deutschen Meister im Level 5 (blinds 200/400):

Mit A7s calle ich vom button eine 800er bet. Der Flop kommt J,7,J. Mein Gegner checkt, ein weiterer Spieler ebenfalls, ich auch. Die Turnkarte ist ein blank. Es wird erneut gecheckt. Die Riverkarte ist ein weiterer Jack. Mein Gegner checkt wieder, ich raise den Pot. Er reraist all in. Autsch! Ich muss folden und bin dankbar, dass er mir seinen J zeigt.
Etwas später allerdings verdoppele ich nahezu meinen gesamten Stack durch einen Gewinn gegen ihn. Ich hatte mit JQ seine potsize-bet auf dem Rag-Rainbow-Flop gecallt. Auf dem Turn kommt ein J, er geht all in und ich calle. Mein Paar Jacks gewinnt, er verlässt das Turnier ohne weiteres rebuy. Ich habe jetzt etwa 25.000 chips.

Im letzten Level (500/1000) des Tages verliere ich einen dicken Pot und mein Stack schwindet um ca. 13.000. Danach passiert für mich nichts Spektakuläres mehr. Ich gehe mit etwa 12.000 Chips in den zweiten Tag. Das ist eine lächerlich geringe Menge, verglichen mit den Stacks der anderen. Allerdings habe ich kein einziges rebuy getätigt und mich – so gesehen – sehr wacker geschlagen.

Nach dem letzten level des Tages geschehen allerdings einige unerträgliche Dinge, die meiner Meinung nach, die Idee und das Prinzip eines Pokerturniers vollkommen ad absurdum führen: Die add-on-Phase wird angekündigt. Die Spieler können jetzt nochmals „auf-munitionieren“. Es können Chips nachgekauft werden und zwar in beliebiger Höhe. Ich werde Zeuge, wie mehrere Spieler für EUR 1000, bzw. EUR 2.000 Chips nachkaufen. Es wird geduldet, dass der Chipstack eines Spielers durch nachkaufen „mal eben“ um 20.000 bzw. 40.000 Einheiten erhöht wird.

Ich bin empört und absolut sprachlos. Das Einräumen dieser Möglichkeit bedeutet aber, dass jeder bereit sein muss, deutlich mehr als EUR 400 für dieses Turnier zu riskieren. Selbst mit meinem strategischen Ansatz, ca. EUR 800 bis zum 4. Level zu investieren besteht keine realistische Chance, in diesem Turnier ins Geld zu kommen.
Hier wird also kein EUR 400,– Rebuy-Turnier gespielt, sondern das Turnier erfordert ein Kapital von ca. 2.000 bis 3.000 EUR, wenn man eine realistische Gewinnchance haben will. Und so gesehen sind die Turnierinformationen der Spielbank Berlin äußerst irreführend.

Heute wurde lediglich das Preisgeld „gemästet“ und es zeigte sich, dass Spieler mit „dicken Brieftaschen“ eindeutig im Vorteil sind. Das ist prinzipiell OK, wenn es aber durch mangelhaf-te Information nahezu verschwiegen wird, dann ist meine massive Form der Kritik an den Verantwortlichen sicher angebracht.

Morgen beginnt das eigentliche Turnier. Ich werde als Außenseiter einsteigen. Im Teil 2 mehr dazu

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