The Big „Double“ Party

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Es war einmal ein kleines verschlafenes Städtchen südwestlich von Wien am Rande des Wienerwaldes. Dies Städtchen saß auf einem unsagbar wertvollen Schatz: Seine schwefelhaltigen Thermalquellen versprachen wundersame Heilung bei den verschiedensten Wehwehchen. So begab es sich, dass sich in längst vergangenen Zeiten hier alljährlich der europäische Hochadel und die Hochfinanz in den Sommermonaten einfanden, um allerlei Zipperlein auszukurieren. Diese Gesellschaft wollte natürlich auch entsprechend kurzweilig unterhalten werden und so baute man auf einer leichten Anhöhe im Stadtzentrum am Kurpark ein prunkvolles Anwesen, dessen Hauptzweck der Betrieb eines mondänen Spielcasinos darstellte. Der europäische Jetset tummelt sich längst an anderen Orten, aber das beeindruckende Gebäude steht unverändert und zeugt dank liebevoller Instandhaltung immer noch von der Glorie der Vergangenheit.

Heute betreibt die Casinos Austria Gruppe hier eines der architektonisch schönsten Casinos in Europa. Der Hauch von Geschichte und Tradition ist noch allgegenwärtig und beim Betreten des Gebäudes drängt sich unvermeidlich der Gedanke auf, welche menschlichen Höhenflüge und auch Dramen sich hier wohl früher ereignet haben müssen. Klar, dass in solch einzigartiger Kulisse auch ein einzigartiges Pokerturnier stattfinden muss. Habe ich Turnier gesagt? Pokerfest trifft viel eher den Charakter der Veranstaltung. Hier fand nämlich in der ersten Oktoberwoche die Poker EM zum mittlerweile 16. Mal in jährlich wiederkehrender Folge statt. Gleichzeitig gab es auch eine Premiere zu feiern. Unmittelbar vor der EM, die als Limit 7card stud ausgetragen wird, gab sich die European Poker Tour mit dem 3. Event (nach Barcelona und London) die Ehre. Das EPT Turnier wird als No Limit Holdem ausgetragen und mit einem BuyIn von 4.000.- Euro ist es eines der teuersten Ereignisse in der europäischen Pokerszene. Casinos Austria hat beide Veranstaltungen in den vergangenen Monaten schlagkräftig unter dem Namen „The Big Double“ vermarktet.

Man muss sich vorstellen, dass hier 2 recht inhomogene Gruppen aufeinander prallen.

Die EPT Tour besteht zu mindestens 50 % aus Berufsspielern, die zweite Hälfte des Feldes sind meist Leute, die sich bei einem Onlineturnier oder bei einem Live Satellite ihren Startplatz erkämpft haben. Nur vereinzelt „verirrt“ sich mal ein ambitionierter Hobbyspieler in dieses Feld, der mit einer Investition von 4.000.- € mal einen ganz großen Schuss auf ein Preisgeld zwischen 250.000.- und 400.000.- Euro (je nach Teilnehmeranzahl für den Erstplazierten) wagen will. Für all diese Spieler ist das Turnier zentraler Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit, alle weiteren Aktivitäten rund ums Turnier werden höchstens am Rande wahrgenommen.

Auf der anderen Seite haben wir die Teilnehmer der Poker EM. Hier beträgt der Anteil der Berufsspieler höchstens 20 %, die meisten Teilnehmer sind Freizeitspieler, die natürlich auch möglichst gut abschneiden wollen, aber für die der festliche Charakter und das gesellschaftliche Ereignis mindestens genauso wichtig ist. Ich war gespannt, wie sich beide Gruppen integrieren ließen.

Was macht dieses Pokerturnier so einzigartig? Nun, um dem festlichen Charakter gerecht zu werden, hat der Veranstalter bereits seit mehreren Jahren mit Do & Co einen Catering Service der absoluten Spitzenklasse engagiert. Diese Mannschaft versorgt alle Teilnehmer und Gäste 24 Stunden rund um die Uhr für die gesamte Dauer des Events mit den feinsten kulinarischen Köstlichkeiten. Sämtliche Getränke sind ebenfalls mit dem obligatorisch zu lösenden „all you can eat and drink“ Ticket abgegolten. Klar, dass da früher oder später zwangsläufig Partystimmung aufkommen muss. Auch wenn das Ticket (190.- € für die EPT und 495.- € für die Poker EM) auf den ersten Blick recht teuer erscheint, war dieser Preis aufgrund der ausgezeichneten Leistung von Do & Co völlig gerechtfertigt.

Kein Wunder, dass die Poker EM seit Jahren sehr viele Stammgäste hat, die den Event Jahr für Jahr fest in ihrem Terminbuch einplanen. Auch beim EPT Feld wurde dieser Modus positiv aufgenommen, ich habe nicht einen Spieler getroffen, der sich darüber beschwert hat.

Shuffle up and deal!

Das EPT No Limit Holdem wurde mit ca. einstündiger Verspätung am Dienstag gegen 13 Uhr gestartet. Mit etwa 200 Teilnehmern war das Feld etwas kleiner als erwartet. Hauptgrund war die Tatsache, dass unmittelbar vorher am Wochenende der Londoner EPT Event ausgetragen wurde und etlichen Teilnehmern 2 Megaevents innerhalb von 5 Tagen einfach zuviel war. Ich für meinen Teil hatte London von Anfang an nicht im Terminbuch, da ich in Baden unbedingt dabei sein wollte. Im Turnier erwischte ich dann den kältesten Lauf an Karten, den ich mir nur vorstellen kann; 8 2, 9 2, 7 3, usw. waren meine ständigen Begleiter und ich hatte während meiner insgesamt vierstündigen Teilnahme an dem Turnier nur einmal die Möglichkeit, mit 9 6 offsuit einen Pot zu klauen. Ansonsten war ich zum langsamen Tod durch die steigende Blindstruktur verurteilt. Da ich selbst nie in eine Hand verwickelt war, hatte ich also ausreichend Zeit zur Beobachtung und hier spielten sich geniale Szenen ab, von denen ich eine zum Besten geben möchte:

Ein äußerst sympathischer Burgenländer, den ich bereits von vielen früheren Turnieren in Wien kenne, verwickelt sich in eine Hand mit einem ca. 19jährigen Internetkid aus England. Preflopaction (Blinds 150 /300): Burgenländer am Button raist auf 1.000, Internetkid reraist im small blind auf 3.000, was von meinem Bekannten innerhalb 1 Sekunde bezahlt wird. Der Flop zeigt 9 5 3, Small blind spielt 3.000 an und der Button geht sofort mit 14.000 all in. Etwas konsterniert wirft der Junge aus England offen ein Pocketpaar 10 weg, woraufhin ihm mein österreichischer Freund mit einem Lächeln K 10 zeigt und folgenden Kommentar (frei ins Hochdeutsche übersetzt) abgibt: „Ja, wenn Du kein Mut zum Reinstellen hast, brauchst Du erst gar nicht Karten spielen“. Es ist einfach schön zu sehen, wie hier 2 völlig verschiedene Welten aufeinander treffen. Poker verbindet doch!

Die eigentliche Poker EM startete dann am Mittwoch um 19 Uhr und mit mehr als 300 Teilnehmern lag das Feld im Rahmen der Erwartungen. Wie das gesamte Festival, ist auch der Austragungsmodus einzigartig: Man hat an 3 aufeinanderfolgenden Tagen die Möglichkeit, sich für das Superfinale zu qualifizieren. Das Starterfeld spielt jeweils solange, bis nur noch 48 Spieler übrig sind. Die werden dann auf 6 Tische a 8 verteilt. Diese 6 Tische spielen solange weiter, bis nur noch jeweils 4 Teilnehmer übrig sind, welche dann ins Superfinale kommen. Auf diese Weise kommen also jeden Tag 24 Spieler ins Superfinale.

Die letzten beiden Jahre hatte ich dieses Minimalziel immer problemlos erreichen können und war auch zuversichtlich, die Aufgabe dieses Jahr schaffen zu können. Am 2. Tag schien es dann soweit zu sein. Als wir nur noch 48 Spieler waren, befand ich mich mit über 60.000 an Chips in einer ausgesprochen guten Situation. Da es hier völlig unerheblich ist, mit wie viel Chips man sich qualifiziert, beschloss ich also, mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen und seelenruhig zuzuschauen, wie meine Mitspieler sich gegenseitig eliminieren. Böser Fehler!!! Einige Male hintereinander gewannen die allin Spieler ihre Hände und meine eigenen Chips schmolzen durch die hohen Pflichteinsätze wie Eis in der Tropensonne. Viel zu spät griff ich wieder aktiv ins Spielgeschehen ein und wie so oft im Poker, werden spielerische Fehler auch noch durch Pech in Form von Bad Beats bestraft. Das Ende vom Lied war, dass ich an meinem Tisch als 5. ausschied. Man darf ruhig Fehler machen, man muss sie sich nur verzeihen können.

Glücklicherweise gab es aber noch ausgezeichnete, actionreiche Cash Games im Rahmen der Poker EM. Einige erfolgreiche Sitzungen in verschiedenen Omaha Pot Limit Partien verhalfen mir letztendlich doch noch finanziell zu einem positiven Abschluss des Events und 2006 versuchen wir es dann auf ein Neues. Einziger Wermutstropfen der gelungen Veranstaltung: Die nächsten 2 Wochen werde ich wohl eine knüppelharte Diät durchziehen müssen, um die angfutterten Pfunde wieder von den Rippen zu bekommen.

Euer Michael