
Ein wahres Marktbeben erschüttert die europäische Sportwetten-Landschaft. Der deutsche Marktführer Tipico steht offenbar kurz vor einem milliardenschweren Eigentümerwechsel. Wie die renommierte Nachrichtenagentur „Bloomberg“ zuerst berichtete und Quellen wie das „Handelsblatt“ sowie „Investing.com“ inzwischen bestätigen, befindet sich der aktuelle Tipico-Eigentümer, der Finanzinvestor CVC Capital Partners, in weit fortgeschrittenen Verkaufsgesprächen.
Der potenzielle Käufer ist kein Unbekannter, sondern ein Branchen-Gigant mit einer überraschenden Doppelstrategie: die niederländische Banijay Group, Mutterkonzern des direkten Tipico-Rivalen Betclic.
Die Verhandlungen sollen so weit gediehen sein, dass eine Einigung noch in dieser Woche möglich scheint. Im Raum steht eine gigantische Bewertung: Tipico soll bei dem Deal mit rund 4,5 Milliarden Euro bewertet werden. Ein Sprecher wollte sich dem Bericht zufolge zu den Informationen nicht äußern.
Ein profitabler Exit für CVC
Für den Finanzinvestor CVC wäre dies ein Paradebeispiel für einen erfolgreichen "Buy, Build, Sell"-Zyklus. CVC war 2016 bei Tipico eingestiegen und hatte das Unternehmen damals, vor knapp neun Jahren, mit etwa 1,4 Milliarden Euro bewertet. Die nun kolportierte Verkaufssumme von 4,5 Milliarden Euro würde mehr als eine Verdreifachung des Wertes bedeuten.
Dieser enorme Wertzuwachs spiegelt die explosive Entwicklung des Sportwettenmarktes wider, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Tipico hat es geschafft, sich trotz der komplexen und langwierigen Neuregulierung durch den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) in Deutschland als absoluter Platzhirsch zu etablieren. Das Unternehmen, 2004 in Karlsruhe gegründet, aber von Malta aus operierend, gibt selbst an, dass rund jede zweite Sportwette in Deutschland über seine Plattformen abgewickelt wird. Diese Dominanz stützt sich nicht nur auf ein starkes Online-Geschäft, sondern auch auf ein Netzwerk von über 1.000 stationären Wett-Filialen, die von Franchisenehmern betrieben werden.
Strategische Züge im Vorfeld des Deals
Dass CVC gerade jetzt den Exit sucht, kommt für Branchenkenner nicht überraschend und folgt einer klaren strategischen Vorbereitung. In den letzten 12 Monaten hat Tipico sein Profil geschärft und sich auf sein hochprofitables Kerngeschäft in Europa konzentriert.
Der wichtigste Schritt war die "Bereinigung" des Portfolios im März 2024: Damals gab die Tipico-Gruppe den Verkauf ihres US-Sportwetten- und iGaming-Geschäfts an den US-Branchenriesen Fanatics bekannt. Dieser Schritt wurde als cleverer Rückzug aus dem extrem teuren und hart umkämpften US-Markt gewertet, um das "Kronjuwel" – die Marktführerschaft in Deutschland und Österreich – für einen Verkauf zu polieren.
Gleichzeitig zeigte Tipico selbst aggressive Expansions- und Konsolidierungsbestrebungen im DACH-Raum. Erst kürzlich schloss Tipico die Übernahme des österreichischen Konkurrenten Admiral (ehemals Novomatic) ab, einer der größten Deals im Nachbarland. ISA-Guide berichtete ausführlich über den Abschluss dieses Verkaufs NOVOMATIC schließt Verkauf von ADMIRAL Österreich an Tipico erfolgreich ab. Mit diesem Zukauf zementierte Tipico seine Vormachtstellung im deutschsprachigen Raum – und machte sich für potenzielle Käufer noch wertvoller.
Wer ist der Käufer? Ein Medien-Gigant will den Glücksspiel-Thron
Der potenzielle Käufer, die Banijay Group, ist ein besonders interessanter Akteur. Das an der Amsterdamer Börse notierte Unternehmen ist mit einer Marktkapitalisierung von über 4 Milliarden Euro selbst ein Schwergewicht. Vielen ist Banijay jedoch nicht als Glücksspiel-, sondern als Medienkonzern ein Begriff.
Zur Gruppe gehört die weltbekannte Produktionsfirma Endemol Shine, die TV-Formate wie „Big Brother“, „MasterChef“ oder „The Voice“ weltweit lizenziert. Gleichzeitig besitzt Banijay die "Betclic Everest Group", zu der die gleichnamige Sportwettenmarke Betclic gehört.
Der Kauf von Tipico wäre ein klarer Beleg für die zunehmende Konvergenz von Medien, Entertainment und Glücksspiel. Banijay könnte durch den Zukauf enorme Synergien heben: Sportinhalte aus dem Medienarm könnten direkt mit Wettangeboten von Tipico und Betclic verknüpft werden. Die Expertise in der Content-Produktion könnte für innovatives Marketing in einem regulatorisch engen Korsett genutzt werden.
Mit der Übernahme würde Banijay über Nacht zum unangefochtenen Marktführer in Deutschland und Österreich aufsteigen und seine Position in Europa massiv stärken. Während Betclic vor allem in Frankreich und Portugal stark ist, würde Tipico die zentrale Achse in Mitteleuropa besetzen.
Sollte der Deal wie berichtet zustande kommen, wäre dies mehr als nur ein Eigentümerwechsel. Es wäre eine strategische Neuausrichtung, die den Wettbewerb im regulierten deutschen Glücksspielmarkt nachhaltig verändern und neue Bewertungsmaßstäbe für die gesamte Branche setzen würde.