Konsequenzen der Dickinger Ömer – Entscheidung des EuGH (Rs C-347/09 vom 15.09.2011) für Deutschland

Ein Artikel von Rechtsanwalt Jens Becker, LL.M.

Mit dieser Entscheidung kehrt der EuGH endgültig von seiner bisherigen Rechtsprechung zum Internet-Glücksspiel ab. Insoweit knüpft die Entscheidung nahtlos an die Zeturf-Entscheidung an, in der der EuGH das Internet als einen von mehreren Vertriebskanälen angesehen und eine Vertriebskanal- und Sektoren übergreifende Kohärenzprüfung gefordert hat und entwickelt diese weiter. Außerdem legt er an die Rechtfertigung für staatliche Monopole hohe Anforderungen an, die die Länder derzeit und auch in Zukunft nicht erfüllen können.

Rechtsanwalt Jens Becker
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Das Internet muss wie der stationäre Vertrieb behandelt werden, besondere Auflagen, die nur im Online-Bereich gelten, sind nicht zulässig Anders als in früheren Entscheidungen geht der EuGH mit keinem Wort auf angeblich bestehende besondere Gefahren des Internets ein. Er prüft das in Österreich bestehende Internetmonopol für Casinospiele anhand des üblichen Prüfprogramms für staatliche Monopole: ein Monopol kann allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn es anhand der konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Internet-Glücksspiel wird damit entsprechend anderen Vertriebskanälen behandelt. Diese Entwicklung ist umso augenfälliger, als dass es zum einen um besonders gefährliche Casinospiele ging, zum anderen Generalanwalt Bot in seinem Schlussantrag ganz gegensätzlich argumentiert hatte. Er hatte ausführlichst und mehrfach die angeblich bestehenden spezifischen Risiken des Internet-Glücksspiels betont (Schlussantrag, Rn 4, 12, 14, 90, 91, 102, 126-129, 142). Der Generalanwalt sah für Beschränkungen von Internet-Glücksspielen weitere und besondere Rechtfertigungsgründe, die über die Rechtfertigungsgründe für Monopole hinausgingen (Rn 4). Dem ist der EuGH nun entgegengetreten. Entsprechend hat sich bereits die Europäische Kommission geäußert, die in ihrem Notifizierungsschreiben zum Ersten GlüÄndStV in der unterschiedlichen Behandlung von Glücksspielen im Internet und in herkömmlichen Vertriebskanälen eine europarechtliche Inkohärenz gesehen hat.

Werbung für staatliche Monopole ist so gut wie nicht mehr zulässig
Der EuGH konkretisiert seine Rechtsprechung aus den deutschen Vorlageverfahren, wonach Werbung nicht darauf abzielen darf, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen. Der EuGH stellt klar, dass eine expansionistische Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt, indem sie sich an die Allgemeinheit richtet, unzulässig ist (Rn 68f). Auch hier ist der Gegensatz zum Schlussantrag des Generalanwalts überdeutlich. Generalanwalt Bot hat ein Monopol für den Betrieb von Glücksspielen im Internet auch dann noch als gerechtfertigt angesehen, wenn der Inhaber des Monopols durch intensive Werbung eine expansionistische Politik betreibt.

Der Staat muss detailliert nachweisen, dass Monopole erforderlich sind
Der EuGH macht in der Entscheidung sehr deutlich, dass er nicht länger gewillt ist, pauschale und vorgeschobene Begründungen für staatliche Glücksspielmonopole ausreichen zu lassen. Auch hier lässt sich eine Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH beobachten, die den nationalen Gerichten bei der Beurteilung der Zulässigkeit staatlicher Monopole immer engere Grenzen setzt. Der EuGH betont die Beweislast der Mitgliedstaaten und führt aus, dass diese dem nationalen Gericht alle Umstände darzulegen haben, anhand derer sich das Gericht vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich verhältnismäßig ist (Rn 54). Das Gericht muss die konkreten Anwendungsmodalitäten der nationalen Regelungen beachten und insbesondere auch die Entwicklung des Glücksspielmarktes dauerhaft berücksichtigen. Die floskelhafte Begründung, ein Monopol sei zur Suchtbekämpfung erforderlich, reicht nicht mehr aus.

Auch staatliche Monopole müssen wirksam von staatlicher Seite beaufsichtigt werden
Einen weiteren Akzent setzt der EuGH im Hinblick auf die staatliche Aufsicht über Monopole. Der EuGH fordert die nationalen Gerichte auf, zu prüfen, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Monopolinhabers gewährleisten können, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, die geltend gemachten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (Rn 57). Diese Ausführungen haben für Deutschland besondere Brisanz, weil hier eine staatliche Aufsicht faktisch nicht existent ist und Rechtsverstöße der Monopolinhaber immer nur, aber dutzendweise von privaten Konkurrenten und Verbänden über die Zivilgerichtsbarkeit abgestellt werden.

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