Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg spricht Pokerturnierveranstalter vom Vorwurf des § 284 StGB frei

Von Rechtsanwalt Axel Mittig


Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat per einstimmigen Beschluss vom 24.03.2011 einen in strafrechtlicher Hinsicht erfreulichen Schlussstrich unter ein Strafverfahren gezogen, welches das Veranstalten von Sachpreisturnieren in der Hansestadt zum Gegenstand hatte:

Die Angeklagten veranstalteten im Jahre 2007 öffentliche Pokerturniere (Texas Hold’em). Diese waren wie die üblichen Sachpreisturniere strukturiert: Es wurden mehrere 1-Table-Sit-’n‘-Gos mit jeweils zehn Teilnehmern gespielt. Jeder Tischsieger qualifizierte sich für eine Finalrunde, die als Multi-Table-Freeze-out-Turnier durchgeführt wurde und in der gesponserte Sachpreise ausgespielt wurden. Teilnehmer, die an ihrem Qualifikationstisch ausgeschieden waren, hatten die Möglichkeit, durch Zahlung weiterer € 15 an weiteren Qualifikationstischen teilzunehmen, um sich auf diese Weise doch noch für das Finale zu qualifizieren.

Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage, da aus ihrer Sicht jedenfalls durch die Möglichkeit des mehrfachen Absolvierens von Qualifikationstischen die Schwelle zum strafbaren Glücksspiel überschritten sei (die einmalige Teilnahme für € 15 hielt die Staatsanwaltschaft ausdrücklich für zulässig).

Das Amtsgericht Hamburg sprach die Angeklagten im Januar 2009 frei. Zuvor hatte das Amtsgericht sowohl den Erlass einer Durchsuchungsanordnung gegen die Beschuldigten als auch die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Jene Entscheidungen des AG wurden erst auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom Landgericht Hamburg aufgehoben.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin erfolgte die Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Hamburg wegen des gewerblichen Veranstaltens illegalen Glücksspiels zu erheblichen Geldstrafen.

Rechtsanwalt Axel Mittig

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Anders als das Amtsgericht vertrat das LG die Auffassung, es sei unerheblich, ob die ausgespielten Sachpreise wie im vorliegenden Fall von dritter Seite gesponsert oder von den Startgeldern der Teilnehmer finanziert worden seien. Es komme allein auf die Sichtweise der Teilnehmer an, ob ein „Einsatz“ i.S.d. § 284 StGB vorliege. Die in dieser Frage anders lautenden Entscheidungen des OLG München, des OVG Münster und des VG Neustadt, welche sich auf entsprechende BGH-Rechtsprechung stützten, ließ das Landgericht dabei unberücksichtigt.

Zudem attestierte das Landgericht den Angeklagten den für eine Verurteilung erforderlichen Vorsatz. Dies, obgleich Gegenstand der Beweisaufnahme schriftliche Korrespondenz war, aus der sich ergab, dass die Angeklagten schon vor der Eröffnung des Betriebes den Kontakt zur zuständigen Behörde gesucht hatten und auch während des laufenden Geschäftsbetriebs mehrfach darum gebeten hatten, etwaige Bedenken gegen das Vorhaben zu benennen, damit entsprechend reagiert werden könne. Reaktionen der Verwaltungsbehörde erfolgten hierauf nicht, so dass die Angeklagten darauf vertrauten, es sei „alles in Ordnung“. Genau in diesem Sinne hatte jedenfalls auch das Amtsgericht den Schriftverkehr mit der Verwaltungsbehörde ausgelegt und sein Urteil (u.a.) hierauf gestützt.

Die Revision der Angeklagten zum Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg war nunmehr erfolgreich (Beschluss vom 25.03.2011, Az. 3-57/10 (Rev)). Das OLG entschied dabei per Beschluss ohne mündliche Verhandlung, da es die Revision einstimmig für begründet erachtete, § 349 IV StPO.

Zuvor überraschte die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg mit ihrer Stellungnahme zur Revisionsbegründung, indem sie sich im Stil einer Kehrtwende der Auffassung der Angeklagten, der Verteidigung, des Amtsgerichts Hamburg und des OLG München anschloss.

Nach der neuen Auffassung der Staatsanwaltschaft Hamburg

  • könne vorliegend offen bleiben, ob Poker ein Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel sei,
  • liege ein Glücksspiel im strafrechtlichen Sinn nicht vor, wenn die Gewinne nicht aus den Teilnahmeentgelten der Spieler finanziert, sondern von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden,
  • würden die „gewonnenen“ Teilnahmeberechtigungen an den Tages- und Wochenfinals keinen vermögenswerten Vorteil darstellen, sondern ein Sieg in einer Qualifikationsrunde (= 15 €- Sit´n´Go) würde lediglich die Grundlage dafür bilden, an weiteren Spielrunden teilzunehmen. Die Sit ´n´Go-Runden seien also nur eine Vorstufe zur Chance, sich die ausgelobten Sachpreise zu verschaffen. Die wiederholte Teilnahmemöglichkeit ändere nichts daran, dass ein „Einsatz“ im Sinne des § 284 StGB in einer solchen Konstellation nicht vorliege.

Das OLG schloss sich dieser Auffassung uneingeschränkt an und stellte fest, dass der Straftatbestand des § 284 StGB nicht erfüllt und das Urteil des Landgerichts insofern aufzuheben sei.

Das OLG sah lediglich einen Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften als erfüllt an und verhängte gegen die Angeklagten aus diesem Grund Bußgelder.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich mit dem Hanseatischen OLG Hamburg nunmehr ein weiteres OLG der o.g. Meinung angeschlossen hat. Für Sachpreisturnierveranstalter bedeutet dies, dass sich das strafrechtliche Risiko weiter erheblich entschärft hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Sachpreise tatsächlich gesponsert werden und wenn der Turniermodus mit dem hier beschriebenen übereinstimmt (Sit ´n´ Go-Qualifikationsrunden mit Tages- und Wochen-/Monatsfinalrunden).

Kontakt:
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