Bayerischer Verfassungsgerichtshof bestätigt die Verfassungskonformität der Vorschriften des AGGlüStV Bayern zur Beschränkungen des Spielhallenwesens.

Rechtsanwalt Dr. Manfred Hecker
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
CBH - Rechtsanwälte
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In einer ersten Entscheidung zum Spielhallenrecht nach den Vorschriften des GlüStV2012 und des Bayerischen Ausführungsgesetzes zum GlüStV2012 hat der bayerische Verfassungsgerichtshof mehrere Popularklagen gegen die Regelungen des AGGlüStV2012 in Bayern abgewiesen und festgestellt, dass insbesondere die Erlaubnisbedürftigkeit der Errichtung und des Betriebes sowie die räumlichen Beschränkungen in Bezug auf die Spielhallen verfassungs- und europarechtlich unbedenklich sind. Gleiches gilt für die vom Gesetzgeber vorgesehenen unterschiedlichen Übergangsregelungen für die Umsetzung der beschränkenden Vorschriften.

Den Einwänden der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der restriktiven Normen für Spielhallen in der aktuellen Gesetzgebung und den damit verbundenen Befürchtungen vor Amts- oder Staatshaftungsansprüchen dürfte jedenfalls mit der vorliegenden Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs die Grundlage entzogen sein.

Die durch den Verfassungsgerichtshof geprüfte Normen:

Gegenstand der Popularklagen an das höchste Verfassungsgericht in Bayern waren folgende Normen des Glücksspielstaatsvertrages und des bayerischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag:

1. § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GlüStV, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV – Erlaubnispflicht für die Einrichtung und den Betrieb einer Spielhalle;

2. § 24 Abs. 1 GlüStV, Art. 9 Abs. 3 AGGlüStV – Mindestabstand zwischen Spielhallen von 250 m Luftlinie;

3. § 25 Abs. 2 GlüStV, Art. 9 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV – Verbot des baulichen Verbundes von Spielhallen;

4. § 29 Abs. 4 GlüStV, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV – unterschiedliche Übergangsregelungen für bestehende Spielhallen.

Sämtliche vorgenannten Regelungen hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof für verfassungs- und europarechtskonform erklärt.

Im Einzelnen:

Der bayerische Verfassungsgerichtshof prüft die vorgenannten Normen an verschiedenen Grundsätzen der Verfassung des Freistaates Bayern. Diese finden zwar ihre Entsprechung in einzelnen Artikeln des Grundgesetzes. Eine daran orientierte Überprüfung ist jedoch dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Allerdings sind die Prüfungskriterien der jeweiligen Verfassungsprinzipien identisch, sodass der Verfassungsgerichtshof auch auf die zu den parallelen Grundrechten entwickelten Grundsätzen zurückgreifen konnte.

Der bayerische Verfassungsgerichtshof stellt daher fest:

I. Die beanstandeten Normen sind mit dem Rechtsstaatsprinzip gem. vereinbar (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern – BV).

1) In diesem Zusammenhang befasst sich der Verfassungsgerichtshof mit der umstrittenen Frage, in wie weit der Landesgesetzgeber aufgrund entsprechender Kompetenzzuweisung überhaupt berechtigt ist, im Bereich des Spielhallenwesens Regelungen der streitgegenständlichen Art vorzunehmen und referiert hierzu den Meinungsstand in der Literatur. Die Frage, ob über den Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO auch Materien der §§ 33c bis 33h GewO nach der Föderalismusreform gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG der Regelungskompetenz der Länder zugewiesen ist, brauchte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof indes nicht zu entscheiden. Sämtliche hier zur Beurteilung gestellten Regelungen sind nämlich allein von den Regelungszielen des § 33i Abs. 2 GewO getragen, der auf eine Beschränkung der räumlichen Verteilung von Spielhallen zur Vermeidung der übermäßigen Ausnutzung des Spielbetriebes abzielt. Demgegenüber beziehen sich die Regelungsinhalte der § 33c bis § 33h GewO im wesentlichen auf gerätebezogene Regelungen zur Aufstellung und technischen Gestaltung der einzelnen Spielgeräte sowie zu den Spielvorgängen, die durch die im Streit stehenden Vorschriften allerdings nicht geregelt werden.

2) Auch liegt in den Regelungen des Landesrechts keine Kompetenzverletzung des Bundesrechts in Bezug auf das Bodenrecht (BauGB) gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG vor, weil das Landesrecht bauplanungsrechtliche Vorgaben an die Zulässigkeit der Errichtung von Spielhallen vorsehe. §§ 29 ff BauGB erfasse nämlich nicht die Ziele, welche § 1 GlüStV im Blick hat. Von erheblicher Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis des Verfassungsgerichtshofs: “Die Einbeziehung der Spielhallen in das Gesamtregelungskonzept des Glücksspielstaatsvertrages hat eine kohärente Regelung für alle Bereiche des Glücksspiels geschaffen, fokussiert auf die Bekämpfung der Spielsucht“. Daher komme der angegriffenen Regelung eine eigenständige glücksspielrechtliche Bedeutung zu.

3) Ferner liege in den angegriffenen Normen kein Verstoß gegen europäisches Recht. Zwar könne bereits die Genehmigungsbedürftigkeit für die Ausübung von Tätigkeiten auf dem Glücksspielsektor eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen. Ein solcher Eingriff sei aber nach den Grundsätzen des europäischen Rechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zulässig. Die hier verfolgten Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen rechtfertigen die vorgesehenen Beschränkungen.

4) Der Verfassungsgerichtshof prüft sodann die Frage, ob die unterschiedlichen Übergangsvorschriften des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV, Art. 9 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verstoßen. Er betont den rechtsstaatlichen Grundsatz, dass „der Gesetzgeber durch das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet ist, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist“. Dem sei Genüge getan, wenn mithilfe der „üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung“ eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewonnen werden könne.

Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, denn die zuständige Behörde könne eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie des § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Diese Befreiungsregelung erfahre ihre Begrenzung aus der Übergangssituation und sei von weiteren Voraussetzungen abhängig. Die wesentlichen Bedingungen, unter denen eine Befreiung oder Ausnahme in Betracht käme, seien daher nicht einer „ungeregelten Verwaltungspraxis“ überlassen. Gerade bei der Regelung von Übergangssachverhalten und einzelfallbezogenen Ausnahmen könne sich der Gesetzgeber zulässigerweise der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen.

5) Die Kläger hatten des Weiteren gerügt, die neue Rechtslage, welche die Anforderungen an den Betrieb der Spielhallen erheblich restriktiver gestaltet, stelle eine unzulässige Rückwirkung und damit eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips dar. Auch dieser Argumentation erteilt der Verfassungsgerichtshof eine deutliche Absage. Bei den streitigen Normen handele es sich nicht um eine echte, sondern lediglich um eine unechte Rückwirkung. Eine solche liege typischerweise dann vor, wenn eine Rechtsposition nachträglich durch die betreffende Vorschriften verschlechtert werde, welche auf noch nicht abgeschlossene, aus der Vergangenheit begründete Sachverhalte angewendet werde. Solche Regelungen seien zwar grundsätzlich an den aus dem Vertrauensschutz erwachsenden Grenzen zu messen. Das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand einer Regelung sei aber weit weniger geschützt als bei einer echten Rückwirkung. Der Vertrauensschutz gehe nämlich nicht so weit, „den Bürger für die Zukunft vor jeder nachteiligen Änderung einer bisher gewährten Rechtsposition zu bewahren.“ Vielmehr sei “die Bedeutung des Anliegens des Normgebers für das Wohl der Allgemeinheit gegen das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der Rechtslage abzuwägen“.

Der Gesetzgeber habe sich mit dem Glücksspielstaatsvertrag das Ziel gesetzt, einen kohärenten Schutz vor Spielsucht zu schaffen. Damit habe er auch vor der Aufgabe gestanden, Regelungen für bereits bestehende, gewerberechtlichen baurechtlich genehmigte Spielhallen zu schaffen. Den Interessen der Betreiber bestehender Spielhallen habe der Gesetzgeber durch angemessene Übergangsbestimmungen Rechnung getragen. Insbesondere sei auch nichts gegen die unterschiedlichen Übergangsfristen einzuwenden, die sich an der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit der Investitionen vor und nach dem 28 Oktober 2011, dem Datum der Beschlussfassung der Ministerpräsidenten über die Novellierung des Glücksspielrechts, orientiere.

II. Auch verstoßen die Regelungen nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 101 BV

In diesem Zusammenhang prüft der Verwaltungsgerichtshof die Frage einer unzulässigen berufsrechtlichen Beeinträchtigung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG und greift dabei auf die so genannte Dreistufentheorie zurück.

1) Bei den Bestimmungen zur Erlaubnispflicht, zum Abstandsgebot und zum Verbot von Spielhallenkomplexen handele es sich um Berufsausübungsregelungen. Eine solche sei zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn die durch sie bewirkte Beschränkung der Berufsausübung den Betroffenen zumutbar ist. Bei der hier vorzunehmenden Güterabwägung sei auf die berechtigten Ziele nach § 1 Satz 1 GlüStV zurückzugreifen. Dabei handele es sich um gewichtige Interessen, zu deren Erreichung die vom Gesetzgeber vorgesehenen Maßnahmen geeignet und erforderlich seien.

2) Auch sei die Einschätzung des Gesetzgebers nicht offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar. Denn nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen bestehe ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der leichten Verfügbarkeit und Griffnähe eines Spielangebots einerseits und einer verstärkten Nachfrage andererseits. Die restriktiven gesetzlichen Vorgaben könnten solchen Gefahren entgegenwirken.

3) Ferner seien die beanstandeten Regelungen erforderlich, denn es sei kein milderes Mittel ersichtlich, das gleich wirksam umgesetzt werden können.

4) Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof auch an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme keine Bedenken. Nach den Erkenntnissen der Landesstelle Glücksspielsucht gebe es allein im Freistaat Bayern zwischen 16.000 und 44.000 Personen, die an Spielsucht leiden. Gegenüber den hierdurch verursachten Belastungen der Betroffenen und des Gemeinwesens müssen die Interessen der Spielhallenbetreiber und -unternehmer zurücktreten.

III. Auch einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentum kann der Gerichtshof nicht erkennen.

Bei den angegriffenen Vorschriften handele es sich um verfassungsrechtlich zulässige Inhaltsbeschränkungen des Eigentums. Der Gesetzgeber greife nämlich nicht auf das Eigentum der Spielhallenbetreiber zu, sondern stelle lediglich inhaltliche Schrankenbestimmung für die Nutzung des Eigentums auf. Auch in solchen Fällen sei eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Eigentümers einerseits und der Belange des Gemeinwohls andererseits vorzunehmen. Diese Abwägung fiele indes zu Gunsten der Gemeinwohlbelange aus. Insofern stünden die Belastungen der Spielhallenunternehmer in einem angemessenen Verhältnis.

IV. Letztlich prüft der Verfassungsgerichtshof die Konformität der restriktiven Regelungen mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV).

Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber Spielbanken und Spielhallen unterschiedlichen Regelungen unterworfen habe, ändere angesichts des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraumes nichts an der Tatsache, dass er insgesamt ein „kohärentes Konzept der Spielsuchtbekämpfung“ verfolge. Insbesondere seien die Regelungen zum Zwecke der Spielsuchtbekämpfung nicht darauf angelegt, das private Betreiben von Spielhallen zu Gunsten der Spielbanken zu beseitigen. Grundsätzlich müsse der Gesetzgeber Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln.

Ungeachtet dessen sei er nicht gezwungen, Spielbanken und Spielhallen den genau gleichen gesetzlichen Regelungen zu unterwerfen. Beide unterlägen zwar einschränkenden Regelungen für den Erwerb einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis. In Spielbanken gelten aber strengere Regelungen für den Zugang und eine Kontrolle von Spielersperren. Bereits aufgrund dessen und angesichts der Beschränkungen der Erlaubniserteilung nach dem Spielbankengesetz auf Staatsbetriebe werde bei Spielbanken die Verfügbarkeit des Spielangebotes für Spielsüchtige stark begrenzt. Ferner sei auch die Anzahl der Spielbanken wesentlich geringer und betrage pro Million Einwohner höchstens eine Einrichtung.

Insgesamt hat der Verfassungsgerichtshof daher die Popularklage abgewiesen.

Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass diese Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen ersten Meilenstein in der Diskussion um die Verfassungskonformität der neuen Regelungen zum neuen Spielhallenrecht darstellt.

Ähnliche Klagen sind – soweit bekannt – bei den Verfassungsgerichtshöfen der Länder Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Saarland sowie bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig, bisher jedoch noch nicht entschieden. Es zeichnet sich jedoch deutlich die Tendenz ab, dass die neuen restriktiven Normen der Landesgesetzgeber zur Begrenzung der Spielhallenpräsenz im öffentlichen Raum aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sind. Dieser substantielle Schritt der Landesgesetzgeber in Richtung auf ein kohärentes und systematisches Glücksspielkonzept in der Bundesrepublik Deutschland wird begleitet durch gravierende Änderungswünsche des Bundesrates an den „Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Änderung der Spielverordnung“ vom 23.5.2013. In seiner Beratung über den Verordnungsentwurf Anfang Juli 2013 hat der Bundesrat insbesondere gefordert, dass die Maximalgewinne und –verluste bei den Spielautomaten gesenkt und die Wiederholtaste für den automatischen Spielablauf abgeschafft werden. Ferner verlangt der Bundesrat das Verbot der Umrechnung von Geldeinsätzen in Punkte, wodurch die gesetzlichen Einsatz– und Gewinnschranken unterlaufen werden können.

Mit diesen Initiativen der Landes-und Bundesgesetzgeber folgt das Glücksspielrecht in der Bundesrepublik Deutschland den sowohl vom Bundesverfassungsgericht in seiner Sportwetten-Entscheidung vom 28.3.2006, als auch vom europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung angemahnten Grundsätzen an eine kohärente und systematische Glücksspielpolitik.