Bayerischer Verwaltungsgerichtshof gibt Eilantrag eines Sportwettvermittlers statt

Rechtsanwalt Guido Bongers

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
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In einem durch die Kanzlei des Unterzeichners geführten Eilverfahren hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 06.05.2016 (10 CS 14.2669) dem Eilantrag eines Sportwettvermittlers aus Augsburg, dem die Vermittlung von Sportwetten und die Werbung hierfür in den Räumen seines Wettvermittlungsbetriebes untersagt worden war, stattgegeben.

Die Stadt Augsburg hatte dem Wettvermittler die Tätigkeit unter Androhung eines Zwangsgeldes von 10.000,00 € untersagt, für die Untersagungsverfügung eine Gebühr von 2.000,00 € erhoben und ihre Untersagung u. a. darauf gestützt, dass die Vermittlung von Sportwetten unerlaubt sei, da der Vermittler für die Tätigkeit nicht die erforderliche Erlaubnis nach den Regelungen des Glücksspieländerungsstaatsvertrages besitze. Die Vermittlung von Sportwetten außerhalb der erlaubten Wettvermittlungsstellen sei ausdrücklich unzulässig. Zudem verfüge auch der Wettveranstalter nicht über eine Erlaubnis, obgleich es sich beim Wettveranstalter des Mandanten um ein Unternehmen handelt, welches eine Position unter den ersten 20 Bewerbern im Sportwettenkonzessionsverfahren beim Hessischen Innenministerium innehat. Ferner ist dem Wettvermittler vorgehalten worden, dass er vermeintlich unzulässige Wettarten anbiete, so beispielsweise Wetten auf das nächste Tor, eine „Über/Unter-Wette“ oder auch die sog. „Handicap-Wette“. Schließlich sei auch eine Live-Wette auf die „ersten 10 Minuten“ nicht zulässig, so die Behörde.

Aus dem Umstand, dass die Wettvermittlung in dieser Form durch den Wettvermittler durchgeführt wurde, folgerte die Behörde darüber hinaus auch eine Unzuverlässigkeit des Wettvermittlers, so dass der Betrieb des Sportwettvermittlers vollständig untersagt worden war.

Gegen die Untersagungsverfügung wurde einerseits Klage erhoben, andererseits ein Eilantrag gestellt. Der Eilantrag hatte bereits in I. Instanz beim Verwaltungsgericht Augsburg Erfolg. Das Verwaltungsgericht Augsburg hatte mit Beschluss vom 24.11.2014 die aufschiebende Wirkung der Klage des Mandanten wieder angeordnet.

Auf die Beschwerde der Behörde bzw. der Landesanwaltschaft Bayern hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nunmehr die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg bestätigt und entschieden, dass der Sportwettvermittler bis zum Abschluss des Klageverfahrens zunächst einmal seine Tätigkeit weiterführen kann und die Festsetzung von Zwangsmitteln nicht zulässig ist.

Der 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes führt zur Begründung seiner Entscheidung u.a. aus, dass zwar eine abschließende Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht getroffen werden könne, vieles aber dafür spreche, dass eine vollständige Untersagung der Wettvermittlungstätigkeit nicht auf das Argument gestützt werden könne, dass einzelne Wettarten, hier bestimmte Ereigniswetten, unzulässig und nicht erlaubnisfähig seien. Ebenso wenig könne aus dem Angebot solcher Wettarten auf die persönliche Unzuverlässigkeit eines Wettvermittlers geschlossen werden. Insgesamt sei auch zu berücksichtigen, dass gerade Art und Inhalt des konkreten Wettangebotes und der konkreten Wetttätigkeit Inhalt der erst noch zu vergebenen Lizenzen sei. Bekanntlich seien die Sportwettlizenzen noch immer nicht vergeben. Aus diesem Grunde sei auch fraglich, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Möglichkeit der Untersagung bei fehlender Erlaubnis in Verbindung mit einer offensichtlich nicht gegebenen Erlaubnisfähigkeit auch dann als Grundlage einer Untersagung dienen könne, wenn das Erlaubnisverfahren auf Seiten der Veranstalter noch gar nicht abgeschlossen sei und es damit dem Vermittler aufgrund der Akzessorietät der Vermittlererlaubnis noch gar nicht möglich sei, eine entsprechende Erlaubnis überhaupt zu beantragen bzw. zu erhalten.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände überwiege selbst bei offenen Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsachverfahren jedenfalls im Eilverfahren das Interesse des Wettvermittlers daran, seine Tätigkeit zunächst weiterführen zu können. Dies gelte umso mehr, als auch in die Grundrechte des Wettvermittlers aus Art. 12 und Art. 14 GG eingegriffen werde und die Dienst- und Niederlassungsfreiheit des Europarechts von besonderer Bedeutung sei und berücksichtigt werden müsse. Das öffentliche Interesse der Durchsetzung der Untersagung der Vermittlungstätigkeit müsse demgegenüber zurückstehen, so das Gericht.

Besonders bemerkenswert ist, dass sich der Senat erstmals auch mit bestimmten Wettarten auseinandersetzt. Hier verweist der Gerichtshof darauf, dass es zwar möglicherweise bestimmte Wettformen gebe, die gem. § 21 GlüStV nicht erlaubnisfähig seien. Er verweist aber gleichzeitig darauf, dass die rechtliche Situation im Bereich der Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten derzeit noch weitestgehend ungeklärt sei. Welche konkreten Wetten im Einzelnen als Wetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder von Abschnitten von Sportereignissen oder als Wetten während eines laufenden Sportereignisses auf das Endergebnis erlaubt werden können oder als Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses ausgeschlossen seien, sei in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher nur für wenige Fälle und nicht höchstrichterlich entschieden. Insbesondere aber, so der Senat, sei in der Rechtsprechung auch noch nicht geklärt, ob es sich bei den Wetten „Über/Unter“, „Handicap“ und „erste 10 Minuten“, die seitens der Behörde für unzulässig gehalten worden waren um tatsächlich unerlaubte Wetten handelt oder nicht. Zur Wette „Über/Unter“ führt das Gericht beispielsweise aus:

„Dass die Wette „Über/Unter“, bei der darauf gewettet wird, dass in einem Fußballspiel oder der 1. Halbzeit eines Fußballspiels mehr oder weniger als eine bestimmte Anzahl von Toren fallen, als Wette auf den Ausgang eines Sportereignisses oder eines Abschnittes eines Sportereignisses nach § 21 Abs. 1 S. 1 GlüStV oder, wenn sie als Live-Wette veranstaltet wird, als Wette auf das Endergebnis nach § 21 Abs. 4 S. 3 Halbsatz 1 GlüStV erlaubt werden kann, ist auch nach dem Wortlaut dieser Regelung nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch lässt sich die Wette als Wette auf den Ausgang eines Sportereignisses oder eines Abschnitts dieses Sportereignisses oder als Wette auf das Endergebnis eines Sportereignisses verstehen, weil sich die Zahl der in einem Fußballspiel oder in seiner 1. Halbzeit erzielten Tore aus dem Spielstand am Ende der 1. Halbzeit oder am Ende des Fußballspiels ablesen lässt.“

Der Senat führt weiter aus, dass sich die gleiche Argumentation auch für die sog. „Handicap“-Wette ergebe. Insgesamt sei es deshalb durchaus möglich, dass sich im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Lizenzvergabeverfahrens bzw. im späteren Erlaubniserteilungsverfahren die eine oder andere dieser Wettarten als durchaus erlaubnisfähig darstelle. Der Senat hält es auch nicht für ausgeschlossen, insbesondere nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass auch andere, wie beispielsweise die Wette „erste 10 Minuten“ als Abschnitt eines Sportereignisses zu bezeichnen ist. Letztlich lasse sich die Frage der Erlaubnisfähigkeit solcher Wettarten nicht allein im Rahmen der grammatikalischen Auslegung klären, sondern es bedürfe der weiteren Klärung anhand des Sinn und Zwecks, der Systematik und der Entstehungsgeschichte dieser Regelungen, die noch ausstehen würden.

Letztlich verweist der Senat auch darauf, dass man dem Wettvermittler voraussichtlich auch eine persönliche Unzuverlässigkeit nicht vorhalten könne. Denn angesichts einer derzeit höchst unklaren Rechtslage erscheine es mehr als zweifelhaft, ob allein aus der wiederholten Vermittlung von vermeintlich unzulässigen Sportwetten geschlossen werden könne, dass der Antragsteller seine Vermittlertätigkeit künftig nicht ordnungsgemäß ausüben werde und deshalb als unzuverlässig angesehen werden müsse. Dies gelte umso mehr, als der Mandant lediglich die Wetten seines maltesischen Wettveranstalters vermittelt habe und dieser zu denjenigen Bewerbern um eine Konzession für die Veranstaltung von Sportwetten im Verfahren beim Hessischen Innenministerium gehöre, dem die Erteilung einer solchen Konzession als einer der ersten 20 im Konzessionsverfahren sogar in Aussicht gestellt worden sei und bei dem insoweit auch die erforderliche Zuverlässigkeit ausdrücklich anzunehmen sei.

Nichts anderes ergäbe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, worauf der Senat nochmals hinweist.

Abschließend ist ebenfalls bemerkenswert, dass der Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes auch nochmals grundsätzlich auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verweist. Dies ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Staatsanwaltschaft Augsburg bis zum heutigen Tage als eine von wenigen Staatsanwaltschaften in Deutschland zahlreiche Strafverfahren gegen Sportwettvermittler eingeleitet hat, die in vielen Fällen auch zu Anklagen geführt hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verweist zutreffender Weise darauf, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts missachtet würde, wenn über einen längeren Zeitraum keine Konzessionen erteilt würden und es in der Praxis deshalb unmöglich bleibe, tatsächlich eine Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten überhaupt zu erhalten. Denn dann würde das monopolbedingte Vermittlungsverbot faktisch aufrechterhalten mit der Folge, dass entgegen dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts für eine Übergangszeit keine Erlaubnis erteilt werden könnte.

Dies gelte im Übrigen umso mehr, als die Vermittlung des gemeinsamen Sportwettangebotes der Veranstalter, denen die Veranstaltung im Rahmen des bisherigen Sportwettenmonopols über ihre Annahmestellen erlaubt war (also dem staatlichen Anbieter) auch knapp 3 Jahre nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages noch ausstehenden Konzessionen zulässig sei. Damit spielt der Senat darauf an, dass die staatlichen Lotteriegesellschaften die Oddset-Sportwette aufgrund dieser Regelung bis heute anbieten können, obgleich bereits viele Jahre seit Eintritt des Glücksspieländerungsstaatsvertrages Mitte 2012 vergangen sind und auch diese Unternehmen grundsätzlich eine neue Erlaubnis benötigen.

Insgesamt reiht sich der Beschluss in eine Reihe anderer gerichtlicher Entscheidungen ein, in denen Verwaltungsgerichte auch in anderen Bundesländern bereits entschieden haben, dass aufgrund des Fehlens einer bislang gar nicht erhaltbaren, formalen Wettvermittlungserlaubnis eine solche Erlaubnis auch nicht vorgehalten werden kann, zudem die anhaltende Verzögerung des Sportwettkonzessionsverfahrens nicht zu Lasten der Anbieter gehen darf.