Finanzgericht: Jetzt auch Umsatzsteuer auf die Pokergewinne!

Kommentiert von Rechtsanwalt Claus Hambach, LL.M. sowie Rechtsanwalt und Steuerberater Dipl.-Kfm. Matthias Weidmann, LL.M.

Nachdem das FG Köln im Falle Eddie Scharf bereits im Jahre 2012 die aus Pokerspielen in der Variante Texas Hold’em resultierenden Gewinne der Einkommen- und Gewerbesteuer unterworfen hat, zieht jetzt das FG Münster mit Urteil vom 15.7.2014 umsatzsteuerlich nach:

Aus Sicht des FG Münster unterliegen Spielgewinne aus Pokerturnieren, Cash-Games, Internet- und Black-Jack-Veranstaltungen eines Profispielers der Umsatzsteuer.

A) Das Urteil des FG Münster vom 15.7.2014, 15 K 798/11 U

Der Profi-Kartenspieler erbringe eine sonstige Leistung i. S. d. § 3a Abs. 1 UStG, die in der Bereitschaft bestehen soll, nach den Spielregeln unter Übernahme eines Wagnisses mit anderen gegen Geld zu spielen. Diese Leistung ist im Inland zu versteuern, wenn der Spieler seinen Wohnsitz im Inland hat.

Das FG scheint keine Probleme mit der Annahme eines Leistungsaustausches zu haben, der wohl aus der Einräumung einer Gewinnchance gegen die Hinnahme eines Verlustrisikos bestehen soll.

Für die Eigenschaft als Unternehmer sprachen im Fall des FG Münster folgende Umstände:

  • Neunjährige Teilnahme an verschiedenen Kartenspielen (Pokerturnieren, Cash-Games, Internet- und Black-Jack-Veranstaltungen)
  • Einnahmen sollten erzielt werden. Ob auch ein Gewinn vorliegt, ist für die Umsatzsteuer im Gegensatz zur Einkommensteuer ohne Belang
  • Teilnahme an 5-8 Pokerturnieren, an Cash-Games und an Internet-Veranstaltungen pro Jahr
  • Stakings (Unterbeteiligungen an anderen Pokerspielern)
  • Aufgabe der bisherigen Angestelltentätigkeit
  • Reisetätigkeiten
  • Höhe der Umsätze und Möglichkeit, den Lebensunterhalt mit dem Kartenspiel zu finanzieren
  • Ein im Internet veröffentlichtes Interview, worin der Spieler u. a. angab, jahrelang viele Kartenspiele gespielt zu haben und einmal 30.000 Euro bei einem Event gewonnen zu haben

Im Jahr der Veröffentlichung des Interviews wurde eine Außenprüfung beim Spieler durchgeführt.

Da der Spieler zu Prüfungsbeginn lediglich aus seinem Gedächtnis eine Aufstellung über seine Teilnahme an Pokerturnieren mit Angaben zu Gewinnen und Verlusten sowie Aufwendungen machen, Unterlagen und Belege über die Teilnahme an Veranstaltungen, Reisekosten, etc. aber nicht aufbringen konnte, mussten die Umsätze aus den Kartenspielen geschätzt werden.

Die unklare Rechtslage und jahrelange Nichtbesteuerung der Umsätze des Spielers aus dem Kartenspiel führten gerade nicht zu Beweiserleichterungen bei der Dokumentation der Spielumsätze.

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer wurden schlicht die Bareinzahlungen auf dem Girokonto verdoppelt!
Das FG Münster konnte nämlich angesichts fehlender, unvollständiger oder im Nachhinein aus der Erinnerung heraus erstellter Unterlagen nicht „ausschließen“, dass der Spieler weitere bar vereinnahmte Beträge ohne vorherige Einzahlung auf das Bankkonto anderweitig verwendet hat.

B) Bewertung der Entscheidung

Auch die jüngste Entscheidung des Finanzgerichts Münster dürfte wie schon die Entscheidung des FG Köln aus dem Jahre 2012 nur auf einen Bruchteil der (Online-) Pokerspieler übertragbar sein: Es muss weiterhin je nach Einzelfall beurteilt werden, welches Risiko besteht, dass ein Finanzamt eine Steuerbarkeit von Pokergewinnen annimmt.

Ob die Finanzgerichte mit den beiden Entscheidungen dem Fiskus allerdings nicht einen Bärendienst erwiesen haben bleibt abzuwarten.

Denn wenn man das Pokerspiel generell besteuern möchte, ist auch eine Anerkennung von Verlusten steuerrechtlich möglich. Da ganzheitlich betrachtet die Zahl der Verluste die der Gewinne übersteigen dürfte, könnte die sich andeutende Spruchpraxis der Finanzgerichte infolge der Verlustverrechnungsmöglichkeiten der Steuerpflichtigen durchaus in der Summe negative Folgen für den Staatshaushalt haben.

Dies hat auch das BMF erkannt und sich offenbar mit offiziellen Schreiben bislang zurückgehalten. Die Finanzgerichte indes haben sich nun positioniert und versuchen anscheinend mit einem sog. „Rosinenpicken“ ausschließlich die erfolgreichen Pokerspieler zur Kasse zu bitten:

„Wie ein erfahrener Marktteilnehmer beherrschte der Kl. die Usancen der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Kartenspieler, wozu er in den Streitjahren u.a. auch auf die schon vor den Streitjahren als Bridgespieler gesammelten Erfahrungen zurückgreifen und diese bei den hier streitigen Tätigkeiten verwerten konnte. Aufgrund dieser Erfahrungen durfte er im Gesamtergebnis mit einem Spielerfolg und damit mit der Erzielung von Einnahmen rechnen.“ (FG Münster vom 15.7.2014).

Es ist allerdings unter steuersystematischen Gesichtspunkten höchst bedenklich, wenn nicht auf die Tätigkeit an sich – also den Beruf selbst – abgestellt wird, sondern darauf, wie geschickt die Tätigkeit durch den Einzelnen ausgeübt wird.

Hier stellen sich v. a. aus Beratersicht elementare Fragen der Rechtssicherheit: Wie soll „Geschick“ denn definiert werden? Wo sind hier die Grenzen zu ziehen?

Auch die Annahme eines für die Umsatzsteuer notwendigen Leistungsaustausches des FG Münster zwischen den Spielern wirkt sehr befremdlich.

Man muss sich einmal die Auswirkungen in der Praxis vorstellen: Wie soll denn eine korrekte Rechnungstellung i. S. d. § 14 UStG bei einem Pokerturnier durchgeführt werden? Soll der sog. Profi-Pokerspieler, der eine ordnungsgemäße Rechnung erstellen möchte, sich wirklich vor jedem (Online-)Spiel bei jedem anderen Teilnehmer der Pokerrunde nach Name und Anschrift erkundigen, damit er auf der auszustellenden Rechnung den Leistungsempfänger korrekt bezeichnen kann und eine Rechnung mit Umsatzsteueridentifikationsnummer und Umsatzsteuerausweis an jeden Mitspieler ausstellen?

Nicht ohne Grund verweist der EuGH in mehreren Urteilen darauf, dass Glücksspielumsätze sich „schlecht für die Anwendung der Mehrwertsteuer eignen“. Auch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie sieht in Art. 135 i MwStSyst-RL die grundsätzliche Steuerfreiheit für Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele vor.

Mit beachtlichen Argumenten lässt sich vertreten, dass Gewinne von (Online-) Pokerspielern weiterhin weder der Ertragsteuer (Einkommen- und Gewerbesteuer) noch der Umsatzsteuer unterliegen. Alle Betroffenen sind grundsätzlich gut beraten, etwaige Festsetzungen der Finanzämter anzufechten und eine Aussetzung der Vollziehung zu beantragen.

C) Praxishinweise

  • Jeglichen Geldtransfer auf Nachvollziehbarkeit hin überprüfen und gegebenenfalls anpassen, insbesondere Ein-oder Auszahlungen auf Pokerportalen sowie E-wallets, Umtausch von Währungen und Stakings.
  • Die Gestaltungsmöglichkeiten in der Umsatzsteuer sollten je nach der konkreten Fallgestaltung durch den Spieler genutzt werden. Die Umsatzsteuer hängt insbesondere ab von der Art der Leistung (sonstige Leistung, elektronische Leistung, unterhaltende Leistung) und dem Leistungsempfänger (Inland, Ausland, Privatmann, Unternehmer). Auch die Bemessungsgrundlage ist bei der Umsatzsteuer teilweise gestaltbar.
  • Eine lückenlose Dokumentation ist in jedem Fall anzuraten (Belege über Reisekosten, Quittungen über eingezahlte Startgelder, Hotelrechnungen, usw.). Beispielsweise ist keine Umsatzsteuer zu zahlen, wenn man nachweisen kann, dass man bei Pokerturnieren im Ausland mit anderen Unternehmern gespielt hat.
  • Bei nicht vorhandener oder unvollständiger Buchführung riskiert man eine u. U. sehr nachteilige Schätzung inklusive eines Sicherheitszuschlages.
  • Bei Unklarheiten ob ein sog. Profi- bzw. Berufs-Kartenspieler oder ein Freizeit-Kartenspieler vorliegt, sollte dringend professioneller Rat durch einen auf diesem Gebiet spezialisierten Rechtsanwalt und/oder Steuerberater eingeholt werden.