EuGH verkündet Entscheidung über BGH-Vorlage (C-156/13)

Ein Kurzbeitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein

Die 3. Kammer beim EuGH wird am 12. Juni 2014 das Urteil in dem unter dem Aktenzeichen C-156/13 geführten Vorabentscheidungsverfahren, das maßgeblich von Rechtsanwalt Dr. Ronald Reichert begleitet wurde, verkünden und damit dem Bundesgerichtshof und anderen Gerichten, Behörden und den Gesetzgebern der Mitgliedstaaten verbindliche Vorgaben für die richtige Anwendung des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr machen. Ob diese Vorgaben von den staatlichen Stellen der Mitgliedstaaten dann auch befolgt werden, steht indes in dem hart umkämpften Bereich der Sportwetten, der Lotterien und des Glücksspiels auf einem ganz anderen Blatt.

Der Bundesgerichtshof hatte den EuGH durch Beschluss vom 24.1.2013 gefragt, ob die unterschiedliche Regulierung des Glücksspiels und der Sportwetten in Schleswig-Holstein und den 15 anderen Bundesländern der Rechtfertigung staatlicher Eingriffe in die Verbotsnorm des Artikels 56 AEUV entgegensteht (Fragen 1 und 2, vgl. R. Karpenstein, ISA-Law v. 25.1.2013, v. 7.2.2013 und v. 15.3.2013). Die weiteren Fragen betrafen die im Zeitpunkt der Vorlage zukünftige Rechtslage, also den Fall, dass Schleswig-Holstein dem GlüÄndStV der übrigen 15 Bundesländer beitreten würde.

Anders als in den Vorlageverfahren der Verwaltungsgerichte aus Gießen, Stuttgart, Schleswig und Köln, die der EuGH durch Urteile vom 8.9.2010 durch die große Kammer und nach Anhörung des Generalanwalts beantworte, hat der EuGH der Vorlage des BGH keine große Bedeutung beigemessen. Er hat in der Sache C-156/13 auf den Generalanwalt verzichtet und das Verfahren der Dritten Kammer und damit den Richtern Ilesic, Fernlund, Caominh, Toader und Jarasiunas zugewiesen.

In der Tat betreffen die Vorlagefragen des ersten Senats beim Bundesgerichtshof im Beschluss I ZR 171/12 nur einen Randaspekt der unionsrechtlichen Rechtfertigung von Unterlassungsansprüchen staatlicher Anbieter gegenüber ihren privaten Wettbewerbern im Bereich der Sportwetten. Der Bundesgerichtshof kann nämlich unabhängig von der Antwort des EuGH auf die vorgelegten Fragen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Unterlassungsklage von Westlotto nur vollständig abweisen oder das Verfahren an die Vorinstanzen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurückverweisen. Der Klage stattgeben und damit die Vorinstanzen aus Köln bestätigen kann er nicht.

Maßgeblich für die – vom BGH in der Vorlage unterstellte – Rechtfertigung der Unterlassungsklage ist die nur von den Tatsacheninstanzen ermittelbare tatsächliche Frage, ob die staatliche Praxis im Bereich der Sportwetten, der Lotterien, Glücksspiele und Casinos im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs systematisch und kohärent sowie konsequent und ohne fiskalische Ausrichtung einzig und allein auf die Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist und weder isoliert noch unter der Dachmarkenstrategie Werbung für staatliche Sportwetten, Glücksspiele oder Lotterien stattfindet, die der Negation der Dienstleistungsfreiheit entgegensteht. Weil der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz entsprechende Tatsachen bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht ermitteln kann, darf er wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen nicht für die Gegenwart als gerechtfertigt beurteilen; er muss – sollte er die Klagen nicht abweisen – zur Ermittlung des relevanten Sachverhaltes stets zurückverweisen. Die Vorinstanzen müssen dann anhand der tatsächlichen bundesweiten Situation im Zeitpunkt ihrer Entscheidung prüfen, ob die Rechtfertigung einer auf ein Internetvertriebsverbot gestützten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage in Betracht kommt. Der BGH kann diese Entscheidungen dann nur bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung der Tatsachengerichte revisionsrechtlich überprüfen, nicht aber die Rechtfertigung einer Unterlassungsklage über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz hinaus bestätigen. Denn der BGH kann nicht wissen, ob die bundesweite Praxis im Bereich der Sportwetten, der Lotterien, Glücksspiele und Casinos auch nach den letzten mündlichen Tatsachenverhandlungen ausnahmsweise ohne fiskalische Interessen systematisch, kohärent und konsequent allein auf die Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist, zumal dies, was jüngst das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Urteilen vom 20. Juni 2013 (8 C 10.12, 12.12 und 17.12) bestätigte, jedenfalls bis zum Jahre 2013 nicht der Fall gewesen ist.

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